Der fremde Sohn (German Edition)
Warren Lane verhaftet.« Es war müßig zu bereuen, dass sie ihn nicht schon vor drei Tagen verhört hatten.
»Das weiß ich auch«, erwiderte sie nachdenklich. »Die Datenbank ist heißgelaufen, als die neuen Abdrücke eingegeben wurden. Gibt es eigentlich irgendwas, das der gute Junge nicht verbrochen hat?«
Berechtigte Frage, dachte Dennis. Laut sagte er: »Er hatte das Messer in der Hand. Es muss eine Auseinandersetzung gegeben haben, möglicherweise einen Kampf.« Wie auch immer, jedenfalls musste er dafür sorgen, dass Anklage erhoben wurde. Was er brauchte, war ein Geständnis.
»Na los … geh schon ran …«
»Hier Professor Quinell.«
»Ich bin’s, Herr Professor, DCI Masters. Ich habe Neuigkeiten für Sie. Wir haben einen Fünfzehnjährigen festgenommen. Wir verdächtigen ihn des Mordes an Ihrem Sohn.«
Schweigen. Da es schon spät war, nahm Dennis an, er habe Max’ Vater geweckt. Vielleicht war der Mann aber auch einfach wütend. Er hätte es ihm nicht verdenken können.
»Verdächtigen?«
»Ja, das heißt, wir können der Staatsanwaltschaft ausreichend Beweismaterial vorlegen. Wenn alles gutgeht, steht er morgen früh schon vor Gericht. Das ist doch endlich mal eine gute Nachricht, Herr Professor.«
»Ja, das klingt aussichtsreich.«
Dennis wäre am liebsten aufs Dach geklettert und hätte herausgeschrien, dass sie den Dreckskerl geschnappt hatten. »Mehr als das, würde ich sagen, Herr Professor. Wenn Sie Näheres erfahren möchten, können Sie gern ins Kommissariat kommen. Ich nehme an, Sie wollen auch morgen bei der Verhandlung dabei sein.«
Brody zögerte. »Das geht nicht. Ich bin bei Max’ Mutter auf dem Land.«
Schau an, dachte Dennis. Seine Gedanken überschlugen sich. Normalerweise bewirkte ein Schicksalsschlag eher, dass Ehen zerbrachen, nicht dass entzweite Partner wieder zueinander fanden. Er ärgerte sich über seine eigenen Gefühle bei der Vorstellung, dass Quinell und Carrie sich dort im Landhaus versöhnten. Er selbst hatte nie eine echte Chance bei ihr gehabt. Doch dann zwang er sich, seine Aufmerksamkeit wieder den wichtigen Dingen zuzuwenden – was zählte, war die Festnahme.
»Sie wollte nicht allein sein«, fügte Quinell hinzu.
»Das verstehe ich vollkommen. Wann werden Sie wieder hier sein?«
»Bald«, antwortete Brody nur und legte auf.
Vorhin, vor der Verhaftung, hatte sich Dennis beim Anblick von Warren Lanes Gesicht an eine grobe Holzschnitzerei erinnert gefühlt. Dass der Junge schon jetzt ein hoffnungsloser Verlierer mit einer ellenlangen Vorstrafenliste war, kam dem Detective durchaus gelegen. Zwölfmal war er in seinem armseligen Leben bereits verhaftet worden, und vom Alter von zehn Jahren an hatte er mehrere Heime und Einrichtungen für jugendliche Straftäter durchlaufen. Zurzeit war er zur Bewährung auf freiem Fuß, nachdem die meisten Richter erkannt hatten, dass er nur auf ein Dach über dem Kopf und regelmäßige Mahlzeiten aus war.
»Perfekt«, sagte Dennis nun und nahm die Unterlagen und seine Kaffeetasse.
Jess holte sich ein Glas Wasser.
Die Pflichtverteidigerin, die mürrisch neben dem Jungen hockte, war dick und wie ein Mann gekleidet. Sie nickte Dennis und Jess grüßend zu, während Warren breitbeinig ein Stück vom Tisch entfernt saß und an dem zerschlissenen Gürtel seines Bademantels herumzupfte. Langsam sah er auf, schaute die Detectives einen Moment lang an und senkte dann wieder den Blick, als sei das alles vollkommen normal. Für ihn war es das wohl auch, dachte Dennis, schaltete das Tonbandgerät ein und machte die notwendigen Angaben zu dem Fall.
»Weißt du, warum wir dich festgenommen haben, Warren?« Dennis wartete, doch der Junge antwortete nicht.
»Es wurde ihm erklärt«, sagte die Anwältin.
»Fangen wir also an. Wo warst du am Morgen des 24. April 2009?« Er wollte mit leichten Fragen beginnen und Warren dann für ein paar Stunden zurück in die Zelle bringen lassen.
Nichts.
»Mein Klient macht von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch.«
Das war zu erwarten, dachte Dennis. Immerhin ging es hier um Mord – darauf stand ein verdammt langer Aufenthalt auf Staatskosten.
»Hast du dich am Morgen des genannten Tages zwischen elf und zwölf Uhr an der Milton Park School aufgehalten?«
Wieder keine Antwort. Die Anwältin schlug mit einiger Mühe ihre kräftigen Beine übereinander.
»Hast du Max Quinell mit einem Küchenmesser tödliche Stichverletzungen beigebracht?«
Dennis zog ein Foto des blutigen
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