Der fremde Sohn (German Edition)
Ihnen.« Er bückte sich, sammelte ein paar Geldstücke auf und gab sie Dennis. »Jetzt muss ich aber los. Meine Mum bringt mich um, wenn ich zu spät nach Hause komme.« Der Junge legte seine eigenen Münzen auf die Theke und nickte Dennis zu.
Der brachte vor Verblüffung kaum ein Wort heraus. »Danke«, stammelte er schließlich. »Vielen Dank.« Als sich der Junge die Kapuze vom Kopf zog, sah Dennis, dass seine Haare in Büscheln vom Kopf abstanden. Er war ungefähr vierzehn, etwas jünger als Warren Lane.
»Bleib nicht so lange auf, Opa«, rief er grinsend und zog mit seinen Freunden ab.
»Ich werd mich bemühen«, erwiderte Dennis, doch das Lachen blieb ihm im Hals stecken.
Er nahm die Tüte vom Tresen und verließ langsam die Imbissbude. Gegenüber war ein kleiner Park. Dort ließ sich Dennis zum Essen auf einer Bank nieder. Er starrte ins Gebüsch und schüttelte dann lachend den Kopf. Ein Stückchen Lammfleisch fiel auf seine Hose. In dieser Nacht würde er nicht mehr schlafen gehen. Wenn er aufgegessen hatte, würde er duschen und gleich wieder aufs Revier fahren. Er wollte Lane wecken, wenn er am tiefsten schlief, und ihn aus seiner Zelle zerren, um die ganze Sache endlich zu Ende zu bringen. Um zu beweisen, dass es noch Gerechtigkeit auf der Welt gab – und um den Unterschied zwischen Warren Lane und dem Jungen in der Dönerbude herauszufinden.
Vergangenheit
I st das nicht schön, mein Schatz?« Carrie hatte sich Max auf die Hüfte gesetzt, doch er rutschte bald wieder hinunter. Mit seinen sechs Jahren war er schon ein großer Junge, und so gern er auch auf dem Arm seiner Mutter war, konnte sie ihn doch nicht mehr lange tragen. Max vergrub sein Gesicht in Carries Mantel. »Ach, Schätzchen, du brauchst doch keine Angst zu haben. Sieh mal, wie hübsch. Möchtest du eine Wunderkerze haben? Brody, hast du die Wunderkerzen?« Sie drehte sich zu ihrem Mann um, der auf seine Füße starrte. »Sag nicht, du fürchtest dich auch vor dem Feuerwerk«, sagte sie lachend. Es war eine tolle Party, und Carrie war in guter Stimmung. »Und wenn du schon reingehst und die Wunderkerzen holst, könntest du gleich noch zwei Drinks mitbringen. Und ein Stück von dieser Marshmallowtorte für Max. Er ist ganz versessen darauf.«
Eigentlich hatte Carrie selbst eine Millenniumsparty geben wollen, doch berufliche Verpflichtungen hatten ihre Pläne durchkreuzt. In den Wochen vor Weihnachten war sie unterwegs gewesen, und ihr war klar, dass sie die Vorbereitungen für ein solches Fest nie und nimmer Brody überlassen konnte. Außerdem war ihr Haus kaum dazu geeignet, die Art von Gästen zu beeindrucken, die sie dank ihres Erfolgs mit Reality Check jetzt einladen konnte. Sie hatte Brody vorgeschlagen, umzuziehen und sich etwas Besseres zu suchen, doch er hatte wenig Interesse gezeigt. Überhaupt war er seit Monaten kaum noch für irgendetwas zu begeistern. Er wirkte so … abwesend, bedrückt und in sich gekehrt. Doch Carrie war viel zu sehr mit ihrer Karriere beschäftigt, als dass sie sich darum hätte kümmern können. Schließlich war sie nicht Superwoman.
»Die Wunderkerzen, Liebling.« Warum stand Brody immer noch da herum? Sie war wirklich froh, dass Nancy und Preston – der Preston Sykes von Newsbox – so ein großes Fest ausgerichtet und jeden, der in der Branche Rang und Namen hatte, mitsamt Familie in ihr Haus in der Nähe von High Wycombe eingeladen hatten.
»Maxie möchte wirklich eine haben, Brody.« Max drückte sein Gesicht noch fester in den Mantel seiner Mutter und wimmerte. Carrie wusste, dass er müde war und fror, aber alle anderen Kinder hatten doch auch Spaß an der Party, warum dann nicht ihr Sohn? »Sieh doch, mein Schatz!«
Sie zog Max am Arm, bis er in den dunklen Nachthimmel aufblickte, an dem es überall rosa und golden, grün und blau funkelte wie von einem gigantischen Sternenregen. »Hat Preston das mit dem Feuerwerk nicht toll gemacht?«, wandte sie sich an den Produzenten eines anderen Senders, den sie kannte und der gerade mit seiner Familie vorbeiging.
Er nickte Carrie zu und wechselte ein paar Worte mit ihr, aber offensichtlich hatte er schon zu tief ins Champagnerglas geblickt. Denn bevor dieses farbenprächtige Spektakel begann, hatten die Gäste bereits auf das neue Jahrtausend angestoßen.
»Und er ist so freigiebig mit Getränken«, fügte Carrie lachend hinzu und hob ihr Glas, während der Mann bereits wieder hinter seiner Frau herstolperte. »Meine Güte, Brody, soll ich
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