Der fremde Sohn (German Edition)
gehen wir eben andersrum.«
»Was hast du heute für uns, Wichser?«
Max murmelte etwas. Bilder von den Jungen, die seinen Computer davonschleppten, schossen ihm durch den Kopf. Der Bursche verließ die Treppe und baute sich hinter Max’ Rücken auf. »Willst wohl die kleine Hure da ficken?« Der Rest der Bande lachte. »Weißt du, was ich hier in meiner Tasche habe, du halbe Portion?«
Max schüttelte den Kopf. Er roch den säuerlichen Atem des Jungen. Er stank nach Bier und Zigaretten.
»Ich hab hier was, das schieb ich dir in deinen mageren schwarzen Arsch, bis es dir zum Maul wieder rauskommt, klar?« Der Junge stieß Max einen Finger in den Bauch. »Das hier is mein Revier, verstanden? Wenn du hier durchwillst, musst du mich um Erlaubnis fragen, klar?«
Max nickte. Der andere spuckte ihm ins Gesicht.
»Was Süßes?« Dayna schob ihre ausgestreckte Hand mit der Tüte zwischen Max und den anderen Jungen. Der nahm ihr grinsend die ganze Tüte ab. »Denk dran«, sagte er und gab den anderen, die sich in einer finsteren Ecke herumdrückten, ein Zeichen. »Wenn du mir auf den Keks gehst, hast du mein Messer zwischen den Rippen, ehe du bis drei zählen kannst.«
Sie gingen davon, und Max sah ihnen nach. Sie hatten die Kapuzen über den Kopf gezogen, bis auf das Mädchen, unter dessen kurzem Rock sich die runden Pobacken abzeichneten. Auch jetzt zeigte Dayna nicht die Spur von Angst – im Gegenteil. Sie hielt bereits die Tür zum Treppenhaus auf und sagte: »Na los, dann zeig mir mal deinen Palast.«
Nachdem sie zusammen mit Max das Haus betreten hatte, ließ sie die Tür zufallen. Max erklomm die Treppe, indem er immer zwei Stufen auf einmal nahm. Kein Wunder, dass sein Vater nie Besuch bekam. Die Banden waren sein persönlicher Schutzschild.
Sie gingen über den Laubengang aus Beton, der mit Wäsche und Spielzeug übersät war. Max versuchte, das Zittern in seinen Beinen zu unterdrücken. Er zog den Schlüssel aus der Tasche und schloss auf. Sein Herz raste noch immer. »Es ist ein bisschen unordentlich«, verkündete er, bevor er die Tür öffnete. »Und manchmal vergisst mein Vater, das Geschirr abzuwaschen.«
»Hör auf, dich zu entschuldigen.« Dayna stieß die Tür auf und trat ein. »Wo ist dein Zimmer?«
Max wollte schon sagen, dass er keins hatte, dass es nur ein Schlafzimmer gab, das seinem Vater gehörte. Doch dann hätte er riskiert, dass Dayna auf dem Absatz kehrtmachte. Außerdem würde sie unliebsame Fragen stellen. Also sagte er nur: »Hier lang« und bog in den düsteren Korridor ein.
Kurz darauf schaute sie sich im Schlafzimmer um. »Nett hier, aber ein bisschen kahl«, befand sie.
Max atmete auf. Offensichtlich hatte Fiona vor der Abreise aufgeräumt. Als Max noch jünger war, hatte sein Vater ihn mehrmals im Jahr zu Tagungen mitgenommen. Dann übernachteten sie in noblen Hotels, und Max ließ sich das Essen aufs Zimmer bringen, während sein Vater Vorträge hielt und die anderen Mathematiker mit seiner Arbeit beeindruckte. An all das mochte Max jetzt gar nicht mehr denken.
»Hat dein Dad einen Job?« Dayna strich die Bettdecke glatt und setzte sich darauf. »Mein bescheuerter Stiefvater arbeitet die meiste Zeit nicht.«
»Er ist Mathematiker. Professor an der Uni.« Max war so erleichtert, weil Dayna ihm die Sache mit dem Zimmer offenbar abkaufte, dass er ganz vergaß, sich etwas auszudenken.
» Was ist er?«, fragte Dayna ungläubig und starrte ihn entgeistert an.
Max schluckte. »Ich meine, er arbeitet an der mathematischen Fakultät. Nichts Besonderes.« Den Blick verlegen abgewandt, ließ er sich neben ihr auf dem Bett nieder, wodurch sie ein wenig zu ihm herüberkippte.
»Wenn er Professor ist, warum wohnt er dann hier? Ist er nicht reich?« Dayna lächelte ihn an, und Max dachte, wie niedlich sie jetzt aussah. Er hätte ihr so gern alles erzählt, aber das hätte doch nur eine Kluft zwischen ihnen geschaffen.
Soll ich dir mal was verraten, Dayna? Meine Mutter ist ein preisgekrönter Fernsehstar und außerdem mehrfache Millionärin, und mein Vater ist ein weltbekannter Mathematiker. Warum sie sich entschlossen haben, ihr sonderbares Leben ohne mich zu führen, ist etwas, das ich nie verstehen werde …
Dann würde er die einzige Freundin verlieren, die er hatte. Sie würde es einfach nicht begreifen.
»Nee. In Wirklichkeit putzt er da bloß, weißt du. Dad spielt sich gern ein bisschen auf.« Max ließ sich auf das Kopfkissen sinken. Es roch nach seinem Vater.
»Ich
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