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Der fremde Sohn (German Edition)

Der fremde Sohn (German Edition)

Titel: Der fremde Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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doch nicht!«
    Behutsam streichelten Leahs Finger ihr über den Kopf, die Schultern, den Hals, bis Carrie schließlich einschlief.
    »Detective Masters, du musst mit diesem Mädchen reden.« Nachdem Carrie, den Kopf auf Leahs Schoß gebettet und vom Whisky benebelt, für eine Weile geschlafen hatte, war sie mit heftigen Kopfschmerzen erwacht. Aber das war ihr egal. Im Grunde war ihr der Schmerz in den Schläfen sogar willkommen. Während des Gesprächs mit Dennis begann ihr Handy zu piepen, weil der Akku fast leer war.
    »Wir haben sie schon befragt, Carrie. Zweimal.«
    »Und?«
    »Sie weiß nicht, wer es getan hat.«
    »Ach, verdammt noch mal …« Sie fand keine Worte mehr. Nichts würde mehr sein wie zuvor. Sie war nicht mehr Carrie Kent, sondern eine Frau, deren Sohn erstochen worden war. Wie all die anderen …
    »Hör mal«, fuhr Masters fort, »komm doch morgen früh mit Max’ Vater aufs Kommissariat, dann berichte ich dir von unseren Fortschritten. Ich bin ab acht Uhr hier.«
    »Fortschritte?«, flüsterte Carrie. Fortschritte, hatte er gesagt. Das klang ja, als hätten sie etwas Neues herausbekommen. Sie scheute sich zu fragen, was es war, denn sie wollte sich das kleine Fünkchen Hoffnung für die langen, dunklen Stunden der Nacht bewahren. »Gut«, sagte sie und beendete das Gespräch.
    Leah saß am Steuer. »Es macht mir nichts aus. Ich bin schließlich deine Freundin«, sagte sie. »Ich bleibe so lange bei dir, wie du mich brauchst.« Sie hatte bei Carrie übernachtet und sie am nächsten Morgen gedrängt, unter die Dusche zu gehen, bevor sie ins Kommissariat fuhren. Dann hatte sie ihr frische Kleidung herausgelegt und auch für sich selbst etwas aus Carries umfangreicher Garderobe ausgesucht. Während Carrie sich abtrocknete, machte Leah ein Frühstück aus Toast und etwas Obst, von dem sie beide ein wenig aßen, obwohl sie keinen Appetit hatten.
    Leah schenkte Kaffee ein. »Glaubst du, Brody wird auch kommen?«
    Carrie zuckte die Achseln. »Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen. Was kann ich weiter tun? Er hat doch diese Frau, die ihn herumchauffiert. Dass unser Sohn tot ist, heißt ja nicht gleich, dass wir wieder dicke Freunde werden.«
    »Versteif dich nicht zu sehr darauf, was Dennis gesagt hat, Carrie. Ein Fortschritt, das kann alles Mögliche bedeuten. Wir wissen doch, wie die Polizei verfährt, also –«
    »Es geht um Max, Leah. Max .« Carrie strich ihr Haar straff zurück und band es zum Pferdeschwanz. Sie trug kein Make-up. Besser so, dachte Leah. So würde sie nicht mehr auffallen als unbedingt nötig. »Nicht um so ein nichtsnutziges Gesocks wie bei Reality Check .«
    Sie sahen einander an. Das ist der Unterschied zwischen uns beiden, dachte Leah kopfschüttelnd. Leah betrachtete die Menschen, die in ihrer Show auftraten, niemals als Gesocks. Gesocks, das klang nach Abfall, den niemand mehr gebrauchen konnte und den jeder nur loswerden wollte. Wie deprimierend und moralisch fragwürdig die Zustände in den Familien, die sie auf die Bühne holten, auch sein mochten, es waren doch Menschen, und ein paar profitierten tatsächlich von der Hilfe des Betreuungsteams. Leah fand, dass sich die Sache allein deshalb lohnte. Sie verabscheute es hingegen, wie Carrie in den Wunden der Leute herumstocherte. Und sie begriff nicht, dass ihre Freundin diese Schicksale offensichtlich kaltließen.
    Um diese Zeit herrschte wenig Verkehr. Leah fuhr aus Hampstead hinaus in Richtung Westen. Die Straßen waren übersät mit den Überbleibseln einer durchfeierten Samstagnacht – Flaschen, Fastfood-Verpackungen, Dosen. Da und dort standen ein paar Jugendliche an ein Treppengeländer gelehnt und rauchten, und ein, zwei Mädchen in Miniröcken und High Heels traten aus der Wohnung irgendeines Jungen in den strahlenden Sonntagmorgen hinaus.
    »Danke, dass du zu mir hältst, Leah.« Carrie berührte Leahs Hand, die auf dem Schalthebel lag. »Ich meine nicht nur jetzt, sondern – na ja, eben immer.«
    Leah blickte sie erstaunt an. Sie erkannte die Frau, die seit ihrer Studentenzeit ihre Freundin war, kaum wieder. »Du wirst darüber hinwegkommen. Vielleicht noch nicht so bald, aber mit der Zeit ganz bestimmt.«
    Als sie den Wagen abgestellt hatten und auf das Gebäude zugingen, bemerkte Leah, wie Carrie immer wieder lautlos das Wort Forschritt flüsterte. Vor Mitleid krampfte sich Leah das Herz zusammen. Sie fühlte sich an manche Gäste in Reality Check erinnert, die nach jedem winzigsten Fünkchen Hoffnung

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