Der Fremde vom anderen Stern
brenzlige Situation wie diese. Zwei Hummerfänger beschuldigten zwie andere, ihre Reusen geplündert zu haben – ein Vergehen, das auf der Insel ähnlich geächtet war wie einstmals Pferdediebstahl im Wilden Westen. Die Tatsache, daß beide Parteien nicht unbedeutende Mengen Alkohol getrunken hatten, trug auch nicht gerade zu einer sachlichen Verständigung bei.
Charity war noch damit beschäftigt, die Lage zu sondieren, als die Tür aufflog und eine ihr nur allzu gut bekannte Person die Kneipe betrat.
Starbuck fühlte sich völlig ausgelaugt, die kurze Astroprojektion hatte ihn körperlich erschöpft. Bis er wieder bei Kräften war, schaute er sich um und machte sich ein Bild vom Stand der Dinge.
Die Hafenkneipe erinnerte ihn an Bars auf den Raumstationen in seiner eigenen Galaxie. Die Luft war schlecht, und vor lauter Rauch konnte man kaum sehen. Hier roch es jedoch zusätzlich noch nach Fisch und Schweiß - ein krasser Kontrast zu der frischen Seeluft draußen.
Der Spiegel hinter der Theke war schon fast blind, und darüber hing das geschmacklose Gemälde einer üppigen Blondine in hohen Lackstiefeln und mit einem neckischen Hütchen auf dem Kopf.
Vier Männer in Öljacken und mit Südwestern standen mitten im Raum, die Hände zu Fäusten geballt, die Gesichter wutverzerrt. Einer der Männer hatte eine geplatzte, blutende Lippe, ein anderer ein blaues Auge. Zwischen den beiden Streithähnen stand klein und schutzlos Charity.
„Was ist denn hier los?" erkundigte sich Starbuck und ging mit großen Schritten auf sie zu.
„Nichts, womit ich nicht fertig würde", erwiderte sie.
„Das geht dich einen Dreck an, was hier los ist", grunzte der Mann mit der blutenden Lippe fast zur gleichen Zeit. „Wer ist der Kerl überhaupt?"
„Mein Name ist Starbuck", antwortete er höflich und bot dem Hummerfänger die Hand. „Bram Starbuck. Und mit wem habe ich das Vergnügen?"
„Halt's Maul", knurrte der Mann und stieß Charity zur Seite, um zur Theke zu gehen.
Das war zuviel. Als der Mann seine grobe, schwielige Hand auf Charitys Schulter legte, sah Starbuck rot. Nie zuvor hatte er körperliche Gewalt eingesetzt, doch nun hatte er das Gefühl, als würden tief in ihm schlummernde Urinstinkte wachgerüttelt. Mit einer Geschwindigkeit, die für das menschliche Auge kaum wahrnehmbar war, schlug er zu.
Der einzige Beweis, daß er sich überhaupt von der Stelle gerührt hatte, waren die vier regungslos auf dem Boden liegenden Männer.
Starbuck betrachtete seine bewußtlosen Gegner und versuchte sich zu erinnern, wann er sich zuletzt so lebendig und so zufrieden gefühlt hatte.
Jahrelang hatte er Tal-Shoyna trainiert, eine sarnianische Art der Selbstverteidigung, die eigentlich dazu gedacht war, gedankliche Kontrolle über den Gegner zu gewinnen. Doch mit bestimmten Techniken konnte man dem Feind in Sekundenschnelle das Genick brechen.
„Was zum Teufel hast du da angerichtet?" Charity ging wütend auf ihn zu, die Hände in die Seiten gestemmt.
„Sie werden bald wieder zu sich kommen", versicherte ihr Starbuck.
Warum in aller Welt war sie wütend auf ihn? Sie sollte doch eher dankbar sein, daß er sie so rasch und ohne Blutvergießen gerettet hatte. „Aber sie werden noch ein paar Tage mit einem steifen Nacken hemmlaufen."
„Du hattest kein Recht, dich hier einzumischen."
„Du hast doch nach Hilfe gerufen."
„Dummes Zeug."
„Natürlich hast du das." Er nickte bekräftigend.
Charity dachte nach. Einen Augenblick lang hatte sie sich gewünscht, sie könnte einfach Verstärkung anfordern, wie sie es bei ihrer Dienststelle in Kalifornien getan hatte, falls sie der Lage nicht mehr gewachsen war. Aber das war nur ein flüchtiger Gedanke gewesen.
Bevor sie noch länger darüber nachgrübeln konnte, kamen die vier Männer zu sich. Stöhnend rieben sie sich den Nacken und machten einen wesentlich umgänglicheren Eindruck als zuvor.
Charity überlegte gerade, was sie nun mit ihnen anfangen sollte, als die Tür erneut aufging und Dylan eintrat. Er hatte Andy Mayfield im Schlepptau, der Charitys Blick verlegen auswich.
„Ich dachte mir, du könntest Hilfe brauchen", begrüßte Dylan sie, dann betrachtete er die vier Männer, die friedlich auf dem Boden hockten.
„Aber wie ich sehe, habt ihr beide, du und Starbuck, alles bestens unter Kontrolle."
„Ich hatte alles unter Kontrolle", zischte Charity. „Ehe Starbuck mir dazwischengefunkt hat."
„Dazwischengefunkt?" Starbucks Zufriedenheit verflog restlos, und
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