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Der Friedhofswächter

Der Friedhofswächter

Titel: Der Friedhofswächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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wischte auch an den Scheiben entlang, das Knurren wurde drohender, auch ich war mittlerweile beunruhigt und bekam im Innenspiegel mit, wie Nadine ihre Vorderpfoten auf die Lehne des Rücksitzes genau hinter Johnnys Kopf stellte. Dabei öffnete das Tier seine Schnauze, und Johnny bekam es mit der Angst zu tun. Er zog sich so weit zurück, bis seine Mutter ihn fassen konnte. Nadine sprang zuerst neben die beiden, dann gegen die hintere Tür, ohne sie allerdings öffnen zu können.
    »John, halt an!«
    Es war am besten. Wir alle würden Nadine, die sich auf so ungewöhnliche Art und Weise verändert hatte, nicht halten können. So wie sie reagierte, konnte man das schon als lebensgefährlich für uns bezeichnen.
    Steil fiel die Straße, auf der wir hielten, am linken Rand ab. Der Wagen rutschte ein wenig über lose Steine, dann erst stand er. Wir hatten uns dem Dorf bereits bis auf wenige hundert Yards genähert. Die Wölfin schnaubte, sie knurrte jetzt nicht mehr, sie heulte schon und kratzte immer härter an der Tür. Vor ihrer Schnauze hatte sich Geifer gebildet. Als ich den Kopf drehte, sah ich zufällig in ihre Augen, in denen ein anderer Ausdruck stand.
    Kalt und böse!
    »Du kannst es noch mit dem Kreuz versuchen!« sagte Bill, erntete aber von seiner Frau entschiedenen Widerspruch.
    »Nein, auf keinen Fall. Sie dreht durch. Laß sie endlich raus, Bill!«
    Der Reporter öffnete die Beifahrertür. Frische Luft strömte in den Kombi. Und Nadine sprang. Dann rannte sie in einem solchen Tempo weg, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her.
    Sie jagte mit gewaltigen Sätzen den Hang hinab und flog förmlich über umherliegende Steine hinweg.
    Bill und ich waren ausgestiegen. Sheila blieb mit Johnny im Wagen. Wir starrten dem Körper der Wölfin nach, der immer kleiner wurde und schließlich vom Boden verschluckt zu werden schien.
    »Sie wollte weg«, sagte Bill, der bleich geworden war. »Sie wollte einfach weg. Kannst du dir vorstellen, wohin?«
    »Ja. Der Friedhof, der Wächter, das Grab. Bill, wir sind hier in Trevarrick genau richtig.«
    »Das Gefühl habe ich inzwischen auch.«
    Jetzt verließen auch Sheila und Johnny den Wagen. Die Frau hielt ihren Sohn an der rechten Hand fest, und Johnny fragte uns: »Habt ihr gesehen, wo sie hingelaufen ist?«
    »Den Hang hinab«, sagte ich.
    »Ins Dorf?«
    »Ich weiß es nicht, Johnny.«
    »Aber wir werden sie doch suchen, oder?«
    Ich lächelte meinen Patenjungen an. »Das verspreche ich dir. Laßt uns fahren.«
    »Direkt zum Friedhof?« fragte Sheila.
    »Da wäre ich gegen«, sagte Bill. »Wir wissen nicht, wo er sich befindet. Holen wir erst einmal einige Auskünfte ein. Mal sehen, wie sich die Bewohner von Trevarrick zu den Ereignissen stellen.«
    Der Vorschlag wurde akzeptiert. Ich fuhr wieder. Bill sprach noch einige Sätze mit Johnny und versuchte, seinen Sohn zu beruhigen. Der nickte nur. Ich sah das Gesicht des Jungen und hatte den Eindruck, als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders. Irgendwo in einer fernen, fremden Welt, die nur er sah.
    Hatte er möglicherweise Kontakt mit Nadine bekommen? Es war alles möglich. Ich wollte ihn aber nicht fragen, um ihn nicht zu beunruhigen. Wir nahmen den letzten Rest der Strecke unter die Reifen. Der Weg führte jetzt kurvenreich zum Ziel. Die ersten Häuser erschienen rechts und links. Meist Holzschuppen, in denen Heu lagerte oder anderes Winterfutter.
    Zwei Kinder, die Fahrräder schoben, schauten uns erstaunt an. Fremde war man hier nicht gewohnt. So war es uns des öfteren in einsamen Gegenden ergangen. Die Bewohner waren eben anders als wir Großstädter. Sie lebten in ihrer eigenen Welt wie auf einer Insel. Auf den Feldern arbeiteten Menschen. Die Luft roch nach geschnittenem Gras. Es war der typische Geruch, der mir so gefiel und mich an eine Idylle erinnerte.
    Doch unsere Mienen blieben ernst. Nadine war verschwunden. Was vor uns lag, wußten wir nicht. Von der Idylle zum Schrecken war die Grenze oft fließend.
    Alte Steinhäuser grüßten mit grauen oder efeuüberrankten Fassaden. Vieles an den Bauten hätte erneuert werden müssen. Die Menschen hier waren nicht reich, so half man sich, in dem man das Nötigste flickte. Auf einem Dach hockten schwarze Vögel und schauten uns hinterher. Selten hatte ich so große Krähen gesehen. Der Himmel kam mir sehr hoch und weit vor. Die Wolken sahen aus, als hätte ein Maler mit einem dicken Pinsel weiße Streifen auf den Himmel gezeichnet. Auch innerhalb der Ortschaft besserte

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