Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
grausame, gewalttätige Zeit, doch Laos war derlei Brutalität gewohnt. Auch Unschuldige starben, und in den Wirren wurden unzählige Identitäten frei. Phan begann seine Metamorphose, schlüpfte von einer Haut in die nächste und die übernächste, und sein Selbstbewusstsein wuchs von Mal zu Mal. Er streifte sich das Leben anderer Männer über, als würde er Hemden anprobieren. Er war ein Patriot, der vor den Royalisten floh, ein Deserteur, der den Roten Horden eine Nase drehte, ein Pazifist, der vor der Aggression Schutz suchte. Mit jeder Häutung kam er seinem Ideal des Mannseins näher. Und um die Verwandlung perfekt zu machen – um zu beweisen, dass er zum Mann geboren war –, beschloss er, sich eine Frau zu nehmen.
Mit Mädchen kannte er sich aus. Er war schließlich selbst eines gewesen. Er hatte sie schwatzen und tratschen hören und wusste, was sie von ihm erwarteten. Er war in Luang Nam Tha im Norden und lebte das Leben eines Mannes, dessen Papiere er sich angeeignet hatte: eines Verwundeten, über den er auf dem Schlachtfeld gestolpert war. Nachdem er sich alles Nötige über seine Familie und Vergangenheit hatte erzählen lassen, hatte Phan ihm ein Bajonett ins Herz gestoßen. In der Haut dieses Mannes hatte er ein Mädchen kennengelernt. Sie war unschuldig und wunderschön und liebte ihn so sehr, dass er die Wärme ihres Körpers spürte, wenn sie sich nahe waren. Auch er empfand etwas für sie, wenngleich er es nicht recht zu benennen wusste. In den trüben Tiefen seiner schwarzen Seele war er davon überzeugt, dass dies des Rätsels Lösung war. Er brauchte nur zu heiraten, und der Rest würde sich von selbst ergeben.
Die Feier war schlicht gewesen: nett und zwanglos, im engsten Freundes- und Familienkreis. Er hatte sie um den Finger gewickelt. Sie beteten ihn an. Hinter dem Haus hatten sie ein Zimmer für das jungvermählte Paar zurechtgemacht. Es war eine einfache, strohgedeckte Hütte. Da jedes Geräusch unvermindert durch die dünnen Bambuswände drang, hatten die Eltern sich diskret zurückgezogen.
Phan hatte sich alles genau ausgemalt. Er wollte es behutsam angehen lassen, eine romantische Nacht mit ihr verbringen. Sie würden engumschlungen im Lampenschein beisammensitzen, und er würde ihr seine Situation erklären. Anfangs würde sie vielleicht verwundert reagieren, ihn aber dennoch ausreden lassen. Nach kurzer Überlegung würde sie ihm versichern, dass sie ihn nur um seiner selbst willen liebe – alles andere sei bedeutungslos.
Aber der Schnaps hatte sie um den Verstand gebracht. Kaum waren sie allein, zerrte sie an seinen Kleidern wie ein wildes Tier. Er hielt sie sich vom Leib, versuchte, sie in ein Gespräch zu verwickeln, doch sie schien von seinem Körper geradezu besessen. »Na schön«, dachte er, »soll sie mich ruhig sehen. Vielleicht klappt es ja auch so.« Erst griff sie ihm zwischen die Beine, und als sie ihn dann aus der Nähe betrachtete, klappte ihr die Kinnlade herunter. Sie ließ von ihm ab und sackte rücklings gegen die Wand. Die ganze Hütte bebte. Ihre spöttische Miene und nicht etwa ihr Gelächter war es, das eine Narbe auf seiner Seele hinterließ und ihm das Herz abschnürte. Es war ein Ausdruck des Ekels – und er sollte ihn in den Augen jeder Frau erblicken, die er von diesem Tag an kennenlernte.
Er hatte sie noch in derselben Nacht erdrosselt, im Hinterzimmer ihrer Eltern. Dann war er mit seinem Sanitätstransporter hundert Kilometer weit nach Süden gefahren, hatte kurz vor Nam Tha am Straßenrand gehalten und ihre Leiche ins Unterholz geschleppt. Es war vorbei. Doch als er auf der Suche nach neuen Aufgaben und einer neuen Identität in die Stadt fuhr, kreisten seine Gedanken in einem fort um seine jungfräuliche Braut. Sie gehörte ihm. In den Augen des großen Buddha und des royalistischen Regimes war sie sein. Sie hatte ihm ewige Treue geschworen. Das hatte er schriftlich. Dass sie tot war, tat dem keinen Abbruch. Nicht einmal auf die erträumten Flitterwochen würde er verzichten müssen.
Er brauchte fast einen Tag, um die erforderliche Ausrüstung und den nötigen Proviant zu beschaffen. Als er die Leiche endlich wiedergefunden hatte, musste er mit Schrecken feststellen, dass die Natur in der Zwischenzeit nicht eben gnädig mit ihr umgegangen war. Aber das spielte keine Rolle. Er bereitete ihr ein Festmahl, verriet ihr sein Geheimnis und verschaffte ihr die Befriedigung, nach der sie sich so sehr verzehrt hatte. Er fesselte sie mit einem Band an
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