Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
ab , um sich ihre Schulter zu reiben.
»Ich sehe sie nicht« , sage ich , nach Atem ringend.
Ann setzt sich auf einen Stein. »Ich bin müde. Mir kommt es so vor , als seien wir seit Tagen auf den Be i nen.«
»Vielleicht sehen wir etwas , wenn wir auf diesen Hügel dort steigen« , schlägt Felicity vor. »Sie haben gesagt , der Tempel sei nahe. Komm weiter , Ann.«
Ann erhebt sich unwillig und wir klettern den steilen , fels i gen Hügel hinauf , der alle anderen überragt.
»Hört ihr etwas?« , frage ich.
Wir horchen und dann hören wir es alle: ein leises , fe r nes Geschrei.
»Vögel?« , fragt Felicity.
»Möwen« , sagt Ann. »Es muss Wasser in der Nähe sein.«
Wir sind dicht unter der Kuppe des Hügels. Ich reiche Ann meine Hand und ziehe sie hinauf.
»Sagenhaft« , sagt Ann , als sie den Anblick in sich au f nimmt.
Vor uns , getrennt durch einen Wassergraben , liegt eine kleine Insel. Auf ihr erhebt sich eine majestätische K a thedrale mit einer blau und golden bemalten Kuppel. Die Möwen , die wir zuvor gehört haben , umkreisen sie.
»Das ist er. Das ist der Tempel aus meiner Vision« , sage ich.
»Wir haben ihn gefunden« , ruft Felicity. »Wir haben den Tempel gefunden!«
In unserer atemlosen Hast , den drei weißen Mädchen auf den Fersen zu bleiben , habe ich vergessen , auf mein Am u lett zu schauen und den Verlauf des Weges zu pr ü fen. Nun stelle ich fest , dass es aufgehört hat zu glühen.
»Wir sind vom Weg abgekommen« , sage ich in pan i schem Schreck.
»Was macht das schon?« , sagt Felicity. »Wir haben den Tempel ja gefunden.«
»Aber er liegt nicht auf dem Weg« , wende ich ein. »Nell hat gesagt , wir dürfen den Weg nicht verlassen.«
Felicity ist vor Müdigkeit und Erschöpfung gereizt. »Gemma , sie hat sinnloses Zeug geredet. Du folgst dem Rat einer Verrückten.«
Ich drehe mich im Kreis und bewege dabei das Am u lett auf und ab in der Hoffnung , irgendein Signal von ihm zu erhalten. Es gibt mir nichts dergleichen.
Ann legt ihre Hände auf meine. »Es stimmt , Gemma. Wir haben keine Ahnung , ob wir dem , was sie uns gesagt hat , trauen können. Im besten Fall ist sie eine Verrückte. Schlimmstenfalls steckt sie mit Circe unter einer Decke. Wir wissen es nicht.«
»Wie kannst du überhaupt sicher sein , dass das Am u lett verlässlich ist? Ehrlich , wohin hat es uns denn g e führt? Zu diesen Mädchen im Dickicht? Zu den Unb e rührbaren? Fast hätten uns die schrecklichen Jäger in dieser Nacht umg e bracht!« , beharrt Felicity.
Ann nickt. »Du hast selbst gesagt , dass die Mädchen in Weiß in einer Vision zu dir gekommen sind. Sie haben dir den Tempel gezeigt und hier ist er!«
Ja , und trotzdem …
Er ist abseits des Weges. Nell sagte , wir sollten uns nicht i r releiten lassen. Nell , die in einem Tobsuchtsanfall den Pap a gei erwürgt hat , Nell , die mich ebenfalls erwü r gen wollte.
Vertrau ihr nicht , haben die Mädchen in Weiß gesagt.
Aber Kartik hat gesagt , ich dürfe nichts und niemandem aus dem Magischen Reich vertrauen.
Ich weiß nicht mehr , was ich glauben soll.
Die Kathedrale steht da wie ein Denkmal der Ewigkeit. Das muss der Tempel sein. Was könnte es sonst sein? Unten am Strand liegt ein kleines Ruderboot bereit , als würden wir schon erwartet.
»Gemma?« , fragt Felicity.
»Ja« , sage ich und stecke das Amulett weg. »Es muss der Tempel sein.«
Mit einem Freudenschrei stürmt Felicity halb ru t schend den Hang hinunter zu dem Boot. In der Ferne winkt die Kathedr a le mit tausend brennenden Lichtern. Wir binden das Boot los , stoßen vom Ufer ab und rudern auf die Insel zu.
Draußen auf dem Wasser wird es neblig. Plötzlich bricht die Nacht herein. Das Geschrei der Möwen kommt von übe r all. Der Graben , der uns von der Insel trennt , ist überraschend breit. Ich schaue durch den Dunst nach oben und für einen Moment scheint die hoch aufragende Kathedrale nur eine Ruine zu sein. Das gel b liche Mondlicht fällt durch eines d er hohen , leeren Fenster und strahlt von den verbliebenen Gla s scherben zu uns wie das Signal eines Leuchtturms , das ein ung e horsames Schiff hereinruft. Ich schließe die Augen , und als ich sie wieder öffne , ist die Kathedrale immer noch her r lich und ganz , ein riesiges Monument aus Stein , mit Türmen und gotischen Fenstern.
»Der Ort scheint verlassen zu sein« , sagt Felicity. »Ich kann mir nicht vorstellen , dass hier irgendjemand lebt.«
Oder irgendetwas , möchte ich sagen.
Wir
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