Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
werden wir a l so wie dein eigen Fleisch und Blut sein , Großmü t terchen? Und du wirst uns ganz so lieben und auch genauso gut unte r richten?« Bei den letzten Worten bricht seine Stimme. Gek i cher im Publikum.
»Ja , Kind. Fürchtet euch nicht. Nun , wo ihr hier seid , werde ich euch an meinen Busen drücken und nie wieder loslassen!« Die Hexe drückt Hänsel so fest an ihren ries i gen falschen Busen , dass er fast erstickt. Wir lachen her z lich über den dummen Spaß. Durch das Gelächter ang e spornt , stopft die Hexe ein Stück Kuchen in Hänsels Mund , worauf das Publ i kum noch mehr lacht.
Die Lichter flackern. Ein Chor von Schreckensrufen erhebt sich , durchmischt mit ein paar kleinen Gicksern. Das Gefl a cker ist nur ein Bühnenzauber , aber es hat die gewünschte Wirkung. Die Hexe reibt sich die Hände und gesteht ihren diabolischen Plan , die Kinder zu füttern , bis sie dick und fett sind , und sie dann in ihrem großen Herd zu rösten. Allen läuft eine Gänsehaut über den Rücken und ich frage mich , was für eine Kindheit die Brüder Grimm wohl gehabt haben.
Ein plötzlicher Frosthauch liegt in der Luft , eine feuchte Kälte , die bis ins Mark dringt. Hat jemand ein Fenster geöf f net? Nein , alle Fenster sind wegen des Regens g e schlossen. Nicht der leiseste Luftzug bewegt die Vorhä n ge.
Miss McChennmine schreitet rings um den Saal , die Hände vor sich gefaltet wie ein Priester im Gebet. Ein Lächeln breitet sich langsam über ihr Gesicht , während sie uns betrachtet. Auf der Bühne hat sich irgendetwas Lustiges ereignet. Die Mädchen lachen. Es klingt für mich verzerrt und weit weg , als befände ich mich unter Wasser. Miss McChennmine legt e i nem Mädchen , das am Ende der Reihe sitzt , eine Hand auf den Rücken. Sie beugt sich vor , um lächelnd die Frage des Kindes anzuh ö ren , aber ihre Augen unter diesen dichten , dunklen Bra u en begegnen den meinen. Trotz der Kälte habe ich ang e fangen zu schwitzen. Ein wahnsinniges Verlangen drängt mich , aufzuspringen und aus dem Saal zu stürzen. Ich fühle mich krank.
Felicity flüstert mir irgendetwas zu , aber ich kann die Wo r te nicht verstehen. Das Flüstern selbst klingt fürc h terlich , wie das Surren und Zirpen Tausender Insekten. Meine Augenlider flattern. Ein Dröhnen erfüllt meine Ohren und ich falle mit großer Geschwindigkeit durch einen Tunnel aus Licht und Schall. Die Zeit dehnt sich wie ein Band. Ich höre mein eig e nes Atmen , das Fließen des Bluts in meinen Adern. Eine V i sion hat mich erfasst. Aber eine so überwältigende Vision wie diese hatte ich noch nie.
Ich bin am Meer. Klippen. Ich rieche das Salz. Der Himmel eine Spiegelung , schäumende Wolken aus Gischt treiben da r über hin. Ein altes Schloss auf einem Hügel. Alles geschieht rasend schnell. Zu schnell. Ich kann nichts erkennen … Drei Mädchen in Weiß springen in irrwitzigem Tempo zwischen den Klippen hin und her. Das Salz , scharf auf meiner Zunge. Ein grüner Mantel. Eine erhobene Hand , eine Schlange , ein br o delnder Himmel , grau und schwarz gesäumte Wolken. Und noch etwas. Irgendetwas –oh Gott! –erhebt sich. Angst , bodenlos wie das Meer , hinten in meiner Kehle. Ihre A u gen. Weit aufgerissen jetzt. Wie sie mich a n schauen! So ängstlich. Ich sehe , wie es aus dem Meer auftaucht. Ihre Augen ein la n ger , lautloser Schrei.
Ich fühle , wie mein Blut mich zurückzieht , fort vom Meer und der Angst.
Ich höre Stimmen. »Was ist los? Was ist passiert?« –»Tr e tet zurück , s ie braucht frische Luft.« –»Ist sie tot?«
Ich öffne meine Augen. Eine Traube besorgter Gesichter schwebt über mir. Wo? Was wollen die? Warum liege ich auf dem Boden?
»Miss Doyle …«
Mein Name. Sollte antworten. Zunge dick wie Filz.
»Miss Doyle?« Es ist Mrs Nightwing. Ihr verschwo m menes Gesicht wird scharf. Sie fuchtelt mit etwas Sti n kendem unter meiner Nase. Scheußlicher Schwefelg e ruch. Riechsalz. Ich stöhne. Rolle meinen Kopf zur Seite , um dem Geruch zu en t kommen.
»Miss Doyle , können Sie aufstehen?«
Wie ein Kind tue ich , was man mir sagt. Ich sehe Miss McChennmine auf der anderen Seite des Raumes. Sie hat sich nicht von der Stelle bewegt.
Erschrockenes Gewisper und Geflüster weht vorbei. »Seht nur. Da. Wie schockierend.«
Felicitys Stimme übertönt die der anderen. »Hier , Gemma. Nimm meine Hand.«
Ich sehe Cecily mit ihren Freundinnen tuscheln. Höre , was sie sagen. »Wie scheußlich.« Sehe Anns besorgtes
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