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Der Geheimnisvolle Eremit

Der Geheimnisvolle Eremit

Titel: Der Geheimnisvolle Eremit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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gelegen, die von der Kraft des Flusses angetrieben worden war.
    Der neunjährige Edwin, sein treuester Verbündeter, bildete mit ihm die Nachhut, doch der Junge beobachtete etwas besorgt über die Schulter, wie sich die Distanz zwischen ihnen und dem Ende der Prozession vergrößerte. Er war nach seinem Sturz für seine Tapferkeit gelobt worden und hatte nicht die Absicht, sich dieses Wohlwollen dadurch wieder zu verscherzen, daß er zu spät zur Vesper kam. Andererseits wollte er aber auch seinen Kameraden nicht allein lassen. Er zögerte unschlüssig und rieb sich das bandagierte Knie, das noch etwas schmerzte.
    »Richard, komm schon, wir dürfen nicht trödeln. Schau mal, die sind schon auf der Hauptstraße.«
    »Ach, die holen wir leicht wieder ein«, antwortete Richard und tauchte noch einmal die Zehen ins flache Wasser. »Aber geh du nur weiter, wenn du willst.«
    »Nein, ich gehe nicht ohne dich. Aber ich kann nicht so schnell rennen wie du, mein Knie ist steif. Mach schon, wir kommen zu spät.«
    » Ich nicht, ich kann dort sein, bevor die Glocke läutet, aber ich habe vergessen, daß du nicht rennen kannst wie sonst. Geh du nur vor, ich hole dich am Torhaus wieder ein. Ich will nur noch sehen, wem das Boot gehört, das da unter der Brücke hervorkommt.«
    Edwin zögerte und entschied sich dann, zu tun, was er selbst für richtig hielt. Die letzte schwarze Kutte am Ende der Prozession erreichte gerade die Hauptstraße und verschwand.
    Niemand hatte sich umgesehen, um die beiden saumseligen Jungen zu rufen oder zu schelten, so daß sie mit ihrem Gewissen allein geblieben waren. Edwin machte kehrt und rannte so schnell, wie er es mit seinem steifen Knie konnte, den Gefährten hinterdrein. Vom Abhang aus blickte er noch einmal zurück, doch Richard stand schon bis zu den Knien in einer kleinen Bucht und ließ gekonnt flache Steine über das ruhige Wasser hüpfen. Edwin entschied sich für die Tugend und ließ ihn allein.
    Richard hatte nicht die Absicht gehabt, wirklich zu spät zu kommen, doch das Spiel zog ihn in seinen Bann, da jeder Wurf besser war als der letzte, und so begann er, in der Uferböschung eifrig nach flachen und glatten Steinen zu suchen, denn er wollte das gegenüberliegende Ufer erreichen.
    Und dann nahm einer der Jungen aus der Stadt, der vor dem Wiesenstück unterhalb der Stadtmauern geschwommen war, die Herausforderung an und begann, tanzende Steine zurückzuwerfen, bis beide Jungen, jeder auf seiner Seite, nackt im Flachwasser standen. Richard war von dem Wettkampf so gefesselt, daß er die Vesper völlig vergaß und erst von der kleinen, fernen Glocke an seine Pflichten erinnert wurde. Er ließ sofort den Stein fallen, gab sich seinem Rivalen geschlagen und kletterte hastig ans Ufer, um sich die Schuhe zu schnappen und wie ein Hase zur Vorstadt und zur Abtei zu hetzen.
    Er kam zu spät. Als er atemlos das Torhaus erreichte und sich vorsichtig, um nicht bemerkt zu werden, durch die Pforte schob, hörte er, wie die Brüder in der Kirche den ersten Psalm anstimmten.
    Nun, es war keine allzu große Sünde, einen Gottesdienst zu versäumen, aber trotzdem wollte er in diesem Augenblick, da er mit ernsten Familienangelegenheiten außerhalb des Klosters beschäftigt war, die Liste seiner Sündenfälle nicht unbedingt vergrößern. Glücklicherweise nahmen oft auch die Kinder der Aufseher und der Laienbrüder an der Vesper teil, so daß sich in diesem Augenblick eine ganze Schar von Schuljungen in der Kirche befand. Ein einziger kleiner Abtrünniger fiel da nicht weiter auf, und wenn er sich, sobald sie nach dem Gottesdienst die Kirche verließen, in ihre Reihen schleichen konnte, mochte man ihm sogar abnehmen, daß er die ganze Zeit bei ihnen gewesen war. Es war das beste, was ihm einfallen wollte. So schlich er in den Kreuzgang und versteckte sich in der ersten Nische der Südseite, von der aus er die Südtür der Kirche im Auge behalten konnte. Durch diese Tür würden Brüder, Gäste und Knaben nach dem Gottesdienst herauskommen. Und wenn die Meßdiener und die Chormönche erst vorbei waren, sollte es nicht mehr schwer sein, sich unbemerkt unter die anderen Jungen zu mischen.
    Und da kamen sie endlich, Abt Radulfus, Prior Robert und die Brüder, und schritten feierlich an ihm vorbei in den Abend hinaus und zu ihrem Abendessen.
    Nach ihnen kamen, weniger geordnet, die Jungen. Richard schob sich an der schützenden Mauer entlang und hielt sich bereit, um sich im rechten Augenblick unter sie zu

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