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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Ton. »Ihr dürft
jetzt gehen, Chevalier. Richtet Euren Herren meine Empfehlung
    aus.«
»Und das ist Euer letztes Wort?«, fragte der Ritter.
Der Großmeister musterte ihn mit derselben Begeisterung, mit der
    er einen alten Fisch betrachtet hätte, den ein Händler am Hafen feilbot. »Nun, vielleicht nicht ganz«, sagte er. »Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ich noch heute einen Brief an den Vizekönig schreiben
werde. Selbstverständlich werde ich dann auch unser Gespräch erwähnen. Wie Ihr vielleicht wisst, hat er zugesagt, spanische Soldaten
zur Verstärkung zu schicken. Selbst wenn wir bis dahin gefallen sein
sollten, wird ihm gewiss zu Ohren kommen, ob es während der
Kämpfe im Lager der Christen zu Verrat oder Untreue gekommen
ist. Ich muss Euch nicht erklären, Chevalier, wie Don Garcia und
mehr noch unsere verehrte Majestät, der König von Spanien, zu
Männern steht, die mit Ketzern oder - schlimmer noch - mit Osmanen gemeinsame Sache machen.«
Der Ritter wurde bei jedem Wort, das er hörte, blasser. Sein rechtes
    Augenlid begann zu zucken. »Es gibt keinen Grund, von Verrat zu
sprechen«, verteidigte er sich. Seine Stimme bekam einen leicht hysterischen Unterton. »Gerade von Malta war immer…«
    »Ihr dürft jetzt gehen«, wiederholte La Valette kalt.
Der Ritter überlegte sichtlich, ob er es wagen konnte, noch einmal
zu sprechen, aber dann schluckte er nur schwer, deutete eine steife
Verbeugung an, bei der er umständlich mit seinem federgeschmückten Hut wedelte, und beeilte sich, den Kapitelsaal zu verlassen. Die
große Tür war vermutlich zu schwer, um sie hinter sich ins Schloss
zu werfen, sonst hätte er es zweifellos getan.
    Andrej sah ihm mit unverhohlener Sorge nach. »Ihr traut ihm?«,
fragte er, einigermaßen verwundert.
La Valette schüttelte heftig den Kopf. »Ungefähr so weit, wie ich
ihn werfen kann«, sagte er. Starkey grinste und beugte sich wieder
über seine Aufzeichnungen. Sein Federkiel fuhr scharrend über das
Papier. »Keine Sorge«, fuhr La Valette fort. »Mdina wird Verstärkung bekommen. Ich habe den Chevalier d’Argere damit beauftragt,
mit dem Großteil der Kavallerie in der Hauptstadt Quartier zu beziehen. Er wird den Adel im Auge behalten und beim geringsten Verdacht auf Verrat mit aller Härte durchgreifen. Er hat außerdem Befehl, von Mdina aus das Vorrücken der Türken zu stören.«
Andrej sagte nichts dazu, aber er dachte sich seinen Teil. Was La
Valette als Großteil der Kavallerie bezeichnete, war in Wahrheit eine
Hand voll Ritter, nicht einmal hundert an der Zahl, die das gewaltige
türkische Heer, das in einer ungeschützten Bucht im Osten der Insel
gelandet war, allenfalls so lange aufhalten konnten, wie es brauchte,
um einfach über sie hinwegzumarschieren.
»Ihr seht so aus, als wolltet Ihr etwas sagen?«, sagte La Valette, als
Andrej beharrlich schwieg.
Andrej hob die Schultern. Er glaubte nicht, dass er etwas zu sagen
hatte, was den Großmeister in irgendeiner Form interessierte. Er war
auch nicht gekommen, um dabei zuzusehen, wie La Valette den Gesandten des maltesischen Adels abkanzelte. Vielmehr war er eher
zufällig in das Gespräch hineingeplatzt und mehr als verwundert gewesen, als La Valette ihn mit einer Geste gebeten hatte dazubleiben,
aber im Nachhinein war ihm klar geworden, warum der Großmeister
des Johanniterordens auf seinem Bleiben bestanden hatte. Er kannte
den Ritter nicht, den die Adligen geschickt hatten, um ihr Anliegen
vorzubringen, aber es handelte sich zweifellos um einen Mann von
hohem Rang, den die Erniedrigung, in Anwesenheit eines Mannes
wie ihm zurechtgewiesen zu werden, doppelt hart treffen musste. Er
verspürte einen leisen Anflug von Ärger. Er hasste es, benutzt zu
werden.
»Nun«, fuhr La Valette in ungeduldigem Ton und mit einem flüchtigen Stirnrunzeln fort, als Andrej immer noch nicht antwortete,
»dann seid doch so freundlich, uns den Grund Eures Besuches mitzuteilen, Chevalier de Delãny.«
Andrej verneigte sich leicht und versuchte, den beißenden Spott in
La Valettes Stimme zu ignorieren. Ganz gelang es ihm nicht. »Pedro«, erwiderte er.
»Pedro?« La Valette tat so, als müsse er über die Bedeutung dieses
Namens nachdenken und nickte schließlich. »Ja, ich erinnere mich.
Der Junge, von dem Ihr gesprochen habt, nicht wahr? Was hatte er
doch gleich mit Eurem muselmanischen Freund zu tun?«
Andrej sah kurz zu Sir Oliver hin, doch La Valettes Sekretär hatte
sich so tief über

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