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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Aber sie vergessen all die Kanonen, die auf unsere Küste gerichtet sind. Das Risiko ist einfach zu groß…«
»Und wenn die Flotte an Malta vorbeisegelt?« Andrej sprach leise,
wie an sich selbst gewandt. Auch ihn hatte dieses überraschende Manöver des Sultans verwirrt. La Valette mochte ein alter Mann sein
und ein Fanatiker dazu, aber er war ein ausgezeichneter Stratege.
»Was, wenn sie uns von Anfang an in die Irre geführt haben? Wenn
all die Gerüchte über einen Angriff auf uns einfach nur eine Finte
waren?« Er sah La Valette fragend an und der alte Mann begann nervös an seinem Spitzbart zu zupfen. »Was tun wir, wenn die Flotte in
Wirklichkeit ein ganz anderes Ziel ansteuert?«
»Es gibt kein wichtigeres Ziel als Malta«, erwiderte der Großmeister entschieden. »Gerade Ihr müsstet das doch wissen, Delãny.«
Sir Oliver hatte aufgehört zu schreiben und beobachtete Andrej
nachdenklich. Er schien diesen Gedanken keineswegs abwegig zu
finden. »Das Ganze - ein Großangriff - als Täuschungsmanöver?«,
fragte er zögernd.
La Valette machte eine ärgerliche Geste. »Unsinn! Ihr habt die geheimen Listen und Pläne gesehen, die Delãny und sein schwarzgesichtiger Freund aus Konstantinopel mitgebracht haben. Glaubt Ihr
ernsthaft, Sultan Suleiman lässt eine ganze Flotte spazieren fahren,
nur um uns zu täuschen?«
Starkey schüttelte bedächtig den Kopf. »Kaum«, gab er zu. »Es sei
denn, die Listen und Pläne waren gar nicht so geheim.«
Andrej verstand. Die Vorstellung war so absurd - und zugleich so
nahe liegend -, dass er sich im ersten Moment weigerte, dies auch
nur in Erwägung zu ziehen. Dennoch sprach er laut aus, was Starkey
angedeutet hatte. »Ihr meint, sie haben gewusst, dass wir kommen?«
Starkey zuckte mit den Schultern. »Ich meine gar nichts«, antwortete er kühl. »Ich stelle mir nur Fragen. Zum Beispiel die, ob es tatsächlich glaubhaft ist, dass es zwei einfachen Männern nicht nur gelingt, in Suleimans Allerheiligstes einzudringen und seine geheimsten Pläne zu stehlen, sondern hinterher auch noch ohne Mühe zu entkommen und den Rückweg hierher zu schaffen.«
Andrej bedauerte es, Starkey nicht darüber aufklären zu können,
wie ihr Abenteuer in Wirklichkeit abgelaufen war. Wären Abu Dun
und er gewöhnliche Sterbliche gewesen, so hätte ihre Flucht spätestens unter den türkischen Kanonensalven ein rasches, unrühmliches
Ende gefunden. Und dennoch… da waren die Gestalt in der Sänfte
und der vermeintliche Dämon, den Suleiman hergeschickt hatte, um
ein Attentat auf La Valette vorzutäuschen. Was, wenn der Sultan von
Anfang an nicht nur gewusst hätte, dass sie unterwegs waren, um ihn
auszuspionieren, sondern auch, was sie waren?
Aber das alles ergab keinen Sinn. Er schüttelte heftig den Kopf.
Bevor er etwas sagen konnte, seufzte La Valette tief und fuhr in
verändertem Ton fort: »Wie dem auch sei, wir haben jetzt andere
Sorgen. Ihr und Euer Freund werdet nach dem Ordensmarschall suchen. Wir brauchen dringend weitere Informationen.« Er hob die
Hand, als Andrej widersprechen wollte. »In der Zwischenzeit werde
ich alles in meiner Macht stehende tun, um den Fischerjungen zu
finden. Schließlich weiß ich ja, wie sehr das schwarze Herz Eures
Freundes an diesem Kind hängt.«
Andrej gelang es kaum noch, sich zu beherrschen. Starkeys Gesicht
war vollkommen ausdruckslos und auch La Valette musterte ihn
kühl. Ihm war klar, dass La Valettes Worte alles andere als ein Versprechen waren. Was oberflächlich betrachtet so verbindlich und
wohlwollend klang, war in Wahrheit nichts anderes als eine unverhohlene Drohung. Vielleicht, dachte Andrej, sollte er in Zukunft
doch auf Abu Dun hören und bei der Auswahl der Menschen, denen
er vertraute, vorsichtiger sein.
»Ich… halte es für keine gute Idee, wenn sich Abu Dun und ich zu
weit vom Fort entfernen«, wandte er vorsichtig ein. »Da ist immerhin
noch…«
La Valette unterbrach ihn mit einer abrupten Geste. Starkey ließ
seine Schreibfeder hastig auf eines der Pergamente fallen, wo sie
einen hässlichen, großen Fleck verursachte, und klatschte laut schallend dreimal in die Hände. Noch bevor das Geräusch verklungen
war, trat ein halbes Dutzend schwer bewaffneter Männer hinter Vorhängen und aus geschickt angebrachten Wandnischen heraus, von
deren Anwesenheit Andrej bisher nicht das Geringste bemerkt hatte.
Keiner von ihnen sagte auch nur ein Wort. Starkey klatschte noch
einmal in die Hände und die

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