Der Geruch von Blut Thriller
bedeutet, seine Geschichte mit sich herumzutragen, aber Murphy isst jetzt sein Essen und scheint mit dem Thema fertig zu sein. Er knurrt und summt vor Vergnügen, während er kaut und runterschluckt. Finn hört Murphy gern zu, wenn er mit
so viel Begeisterung zulangt. Es erinnert ihn daran, wie er aß, wenn Dani gekocht hatte.
Murphy kippt ein großes Glas Milch runter und sagt: »Wo ist Judith? So ein Essen darf sie sich nicht entgehen lassen, und ich wette, sie mag Minzgelee.«
»Zwanzig Dollar dagegen.«
»Bin dabei. Das Geld kann ich gebrauchen.«
Wieder das Gelee. Finn wird klar, dass Murphy und er sich nichts wirklich Interessantes zu sagen haben. Und doch müssen sie sich dauernd gegenseitig ausloten. Er sieht Ray vor sich, wie er ihn angrinst, sich nach den Mädchen umsieht und sich elegant in seinem Stuhl zurücklehnt.
Finn macht sich Sorgen wegen Harley Moon. Er fürchtet, dass Vi ihm Seitenblicke zuwirft, und ihn vielleicht irgendwann anfängt zu hassen. Er ist beunruhigt, dass Roz noch nicht zurück ist, und fragt sich, was so wichtig war, dass sie deswegen wieder raus in den Schneesturm musste. Am liebsten würde er Murphy ein paar Schlucke aus seinem Flachmann klauen.
»Am besten, ich gehe weiterschaufeln.«
»Wie schlimm ist es?«
»Es wird jeden Augenblick schlimmer. Lauf bloß nicht allein zurück zu deinem Cottage. Lass dich von jemandem hinbringen, ich hab keine Lust, deinen Kadaver in meiner schön gepflegten Anlage zu finden, wenn es im April taut.«
Finn hebt sein Glas. »Slainte!«
»Ein guter Junge bist du. Wahrscheinlich bist du der Sohn von Michael Collins oder von St. Patrick höchstpersönlich.«
Als Murphy aufsteht, sieht Finn Ray in Uniform vor seinem Spind stehen. In der Spindtür klebt der Brief
eines Neunjährigen, mit Bleistift auf ein Ringbuchblatt geschrieben. Die Schrift ist riesig und nach links geneigt. In seinem Brief dankt er Ray dafür, ihm und seiner Mutter bei einem Überfall auf eine Bodega das Leben gerettet zu haben. Ray war gegen jede Vorschrift einfach reinmarschiert und hatte dem Täter in die Brust gefeuert, während Finn Verstärkung anforderte.
Murphy macht seine Jacke zu, geht auf Vi zu und erzählt ihr, wie reizend sie aussehe mit ihren rosig glühenden Wangen. Vi bedankt sich. Murphy schlendert davon, und alle Blicke gehören ihm.
Suzy Smyth, die immer noch zu laut und ausgelassen ist, macht eine Bemerkung über Murphys pralle Hose, und mehrere der Mädchen kichern leise. Sie wissen, dass Finn sie hört.
Bevor er zwei Bissen von seinem Lamm essen kann, kommt Judith an seinen Tisch geschlichen. Sie fragt die Mädchen, ob ihnen das Essen schmeckt, und sie bejahen. Sie setzt sich Finn gegenüber auf Murphys Platz, der noch warm von ihm ist. Finn versucht, nicht an ihre Unterwäsche zu denken. Ihren Schlüpfer , wie Duchess sich ausdrückte. Wie kann sie nur so fertig mit den Nerven sein, dass sie sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinkt und am Ende mit dem Kopf in der Kloschüssel hängt. Um ihn herum entsteht eine Diskussion über etwas, das ihm komplett egal ist. Irgendwo draußen brummt die Schneefräse.
Murphy redet nicht nur viel, er hört auch gern zu. Er stellt Finn oft Fragen über seine Zeit als Polizist. Einmal, als sie gerade eine irische Punkband hörten, reichte Murphy ihm den Jameson und flüsterte: Jetzt mal Hand aufs Herz … vermisst du es nicht?
P olizist zu sein bedeutet, zwei Liliputaner im Herzen sitzen zu haben, die einem das Leben zur Hölle machen. Es gibt den guten und den schlechten Schweinehund, und beide nehmen sich abwechselnd deinen weichen Kern vor.
Es bedeutet, jederzeit Einsatz, Risiko, Instinkt und Scharfsinn zu zeigen. Man lässt den Hass und die Gelassenheit in die Gedanken und in die Fäuste fließen. Man hasst seine Waffe, und man liebt sie. Man versteht, warum so viele Polizisten sich ihre eigene Knarre in den Mund stecken. Polizist sein ist genau das, was man sich darunter vorstellt, und das genaue Gegenteil.
In der dritten Woche auf Streife wird man zu einem Überfall auf einen Getränkeladen gerufen.
Der Besitzer ist angeschossen worden, und die beiden bewaffneten Arschgesichter sind auf der Flucht. Dein Partner ist ein altes Raubein, das seine besten Jahre hinter sich hat und nur noch auf seinen Gehaltsscheck wartet. Er hat neunzehn von zwanzig Jahren abgerissen und will sich in erster Linie zurücklehnen und Prostituierte hochnehmen, und vielleicht hin und wieder mal ein Mahjong-Spiel auflösen, weil
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