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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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einen Ketzer wartet der neunte Kreis der Hölle. Ein Priester kam jeden Tag in meine Zelle und beschrieb die Qualen, die mich dort erwarteten. Irgendwann glaubte ich ihm. Morras Angebot war der einzige Weg, der Angst zu entkommen. Verstehst du das?«
    Nun schwiegen sie beide. Nach einer Weile fragte Raoul: »Und jetzt? Glaubst du immer noch, dass die Hölle auf dich wartet?«
    »Ich glaube gar nichts mehr.«
    Raoul sah den Toskaner lange an. »Kann ich dir noch vertrauen, Matteo?«
    Eine Furche erschien zwischen Matteos Augenbrauen, kurz nur, und verschwand wieder. »Natürlich!« Er zögerte. »Wie meinst du das?«
    »Du hast dich in Konstantinopel von Morra losgesagt. Wie kann ich wissen, dass du es dir nicht anders überlegst?«
    Ärger verdunkelte Matteos Augen. »Ich habe dir mein Wort gegeben!«, sagte er heftig. »Genügt das nicht?«
    Raoul antwortete nicht. Ehe er sich abwandte und zum Lager zurückging, bedachte er seinen Gefährten mit einem letzten Blick und sah einen kleinen, furchtsamen Mann, der schon vielen sein Wort gegeben hatte.

ACHTZEHN
     
     
    K ardinal Morra kniete auf dem nackten Steinboden, hatte die Hände gefaltet und betete um Geduld und Demut, als die Tür seiner Kammer geöffnet wurde. Er hielt die Augen geschlossen. Es war nur Wartan, der Leibsklave des Befehlshabers Natsagiin, der jeden Morgen zur gleichen Zeit hereinkam. Morra brachte das Gebet in Ruhe zu Ende, dann stand er auf. Wartan, selbst Christ, hatte respektvoll an der Tür gewartet. Er murmelte eine Begrüßung auf Armenisch und bedeutete Morra, ihm zu folgen.
    Zeit für unsere erste erbauliche Unterhaltung für heute, dachte Morra missmutig, als er das Gemach des Befehlshabers betrat. Es füllte fast das gesamte obere Geschoss des Hauptgebäudes aus und hatte Fenster auf den Hof der inneren Festung und den Pass. Schilde mit gekreuzten Säbeln und bunte Stickarbeiten hingen an den Wänden. Ein Vorhang aus goldenem Tuch trennte die Nische mit dem Schlaflager vom Rest des Raumes ab. Eine zierliche Gestalt mit langen schwarzen Haaren verschwand in einem Durchgang, Zhoa, Natsagiins Konkubine. Morra zog es vor, sie nicht zu beachten, wenn er ihr begegnete, denn meist war die blutjunge Perserin äußerst knapp bekleidet. Es sprach für Natsagiins Taktgefühl, dass er sie hinausgeschickt hatte, bevor er seinen »Gast« empfing. Natsagiin saß mit untergeschlagenen Beinen vor einem purpurnen Tuch, dessen verschlungene Muster unter Schüsseln mit Früchten und Platten mit Brot und kaltem Fleisch verschwanden. »Morra«, sagte er mit einem Lächeln. »Hattet Ihr eine angenehme Nacht?« Der Mongole sprach Latein mit schwachem Akzent.

    Morra verzichtete auf eine Antwort und ließ sich auf der anderen Seite des Tuchs nieder. Wartan füllte seinen Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit, die Tee genannt wurde. Anfangs hatte Morra dem bitteren Getränk nichts abgewinnen können, doch inzwischen wusste er dessen belebende Wirkung zu schätzen. Besonders nach Nächten wie der letzten.
    Natsagiin trug einen Morgenmantel aus grüner Seide, bei dem seine bronzefarbene, muskulöse Brust zu sehen war. Sein Haar war wie immer zurückgebunden, sein Gesicht bis auf den Bart an Kinn und zwischen Oberlippe und Nase sauber rasiert. Er tat Brot, Fleisch und säuerlich riechenden Ziegenkäse auf seine Platte. »Versucht die kandierten Orangen und Feigen. Sie kamen gestern aus Yerevan. Es hat ein kleines Vermögen gekostet, sie zu besorgen.« Er hielt Morra die Schüssel hin.
    »Danke«, sagte Morra steif. »Ich esse morgens nur Brot.«
    »Ah. Eine Regel Eures Glaubens?«
    »Eine Gewohnheit.«
    Natsagiin stellte die Schüssel ab und machte sich über das Fleisch her. Als er den Knochen abgenagt hatte, wischte er das geronnene Bratenfett mit dem Brot auf. Morra kaute währenddessen auf einer Brotkante herum. Er konnte sich nicht daran gewöhnen, auf dem Boden zu essen. Davon abgesehen hatte er keinen Appetit.
    Er sah seine Bibel, das handliche, in Leder eingeschlagene Neue Testament, neben Natsagiin auf dem Boden liegen. Der Mongole bemerkte seinen Blick, säuberte seine Finger mit einem Tuch und nahm die Bibel in die Hand.
    »Ich habe Euer heiliges Buch gelesen«, sagte er. »Es ist … kurzweilig.«
    Die Heilige Schrift »kurzweilig«. Was sollte man dazu sagen? Morra schwieg.
    »Wusstet Ihr, dass es einige erstaunliche Entsprechungen zum heiligen Buch der Muslime aufweist?«
    »Ich habe davon gehört.«

    Natsagiin lächelte hintergründig, als er in

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