Der goldene Buddha
letzte Prüfung steht dir noch bevor. Du selbst wirst den Deckel des Schreins abheben. Sollte es dir nicht gelingen, haben wir den Beweis, dass du unwürdig bist, die Waffe zu tragen. Gelingt es dir aber, haben wir die richtige Wahl getroffen. Zwei Menschen haben es bisher versucht. Bei beiden hat sich der Deckel nicht geöffnet. Du bist der dritte. Bitte sehr…«
Suko ging vor. Seine Schritte waren gemessen, als er auf den wertvollen Holzschrein zuging. Der Deckel zeigte ein Bildnis des großen Buddha. Der Schrein bestand an den Seiten aus hellem Holz, das durch wertvolle Intarsienarbeit noch kostbarer erschien. Suko blieb stehen und schaute dem Abt in die Augen.
Der Mann nickte.
Da beugte der Chinese seinen Oberkörper vor, umfasste den Deckel und hob ihn an.
Es klappte!
Der Deckel schwang hoch, also war Suko würdig genug, die in dem Schrein liegende Waffe zu tragen.
Er war der Kämpfer!
Selbst Brahdana zeigte eine Gemütsbewegung.
Suko hörte sein tiefes Atmen. Was musste in dem alten Abt vorgehen, der so lange gewartet hatte, damit der Mann kam, der die Waffe behalten konnte?
Vorsichtig ließ Suko den Deckel los, der jetzt waagerecht stehen blieb.
Er sah die Waffe noch nicht, denn sie war in kostbare Tücher eingewickelt. Suko zögerte, sie hervorzunehmen, bis Brahdana lächelnd sagte: »Nimm sie. Jetzt gehört sie dir.«
»Ja«, flüsterte Suko, »ich werde sie nehmen.« Er bückte sich und streckte seine Arme aus. Die Finger fanden das Tuch, wühlten sich in den Stoff, so dass Suko bereits Umrisse fühlen konnte.
Er runzelte die Stirn. Diese Waffe erinnerte ihn an die Dämonenpeitsche, zumindest glaubte er, einen Stab anzutasten. Er schlug die Decke zur Seite und sah tatsächlich einen schmalen Stab vor sich liegen, etwa so groß wie zwei Bleistifte und ebenso dünn.
Das sollte eine Waffe sein?
Suko hob den Blick und schaute den Abt des Klosters an. »Dieser Stab?« fragte er, wobei er sich gleichzeitig aufrichtete.
»Ja, der Stab.«
Hinter Suko atmete Tai Pe stöhnend auf. »Er ist es«, flüsterte er. »Er ist es tatsächlich. Der Stab, den Buddha uns vererbt hat. Und ihr habt ihn.«
Suko nahm ihn in die Hand. Seltsam leicht fühlte er sich an, als bestünde er aus Rohr. Wahrscheinlich war es auch so. Doch woher sollte die Waffe stammen?
Von dem großen Buddha?
Suko drehte sich so, dass er Tai Pe anschauen konnte. »Hast du mit deinen Worten recht gehabt?«
»Ja, dieser Stab stammt aus Buddhas Erbe. Er hat ihn vor seinem Tod einem Vertrauten übergeben, und dieser hat ihn ebenfalls bis zu seinem Tode bewahrt. Dann übernahm ein anderer den Stab, der wiederum gab ihn weiter. Bis er schließlich in diesem Tempel seine endgültigen Platz fand und du gekommen bist, um Buddhas Erbe hier auf der Welt zu verbreiten. Dieser Stab wird dir dabei die große Hilfe sein.«
Suko nickte und schluckte gleichzeitig. Sein Innerstes befand sich in Aufruhr. Nie hätte er mit so etwas gerechnet. Nie in seinem Leben. Praktisch unvorbereitet war er in den Tempel gekommen, und jetzt stürzten die Ereignisse wie ein Wasserfall auf ihn nieder. Er schaute auf den Stab.
Grau und unscheinbar war er anzusehen, doch bei genauerem Betrachten sah Suko die haarfeinen Linien, die das Material spiralförmig durchzogen.
Und er fühlte auch die leichte Vibration, die von diesem Stab ausging.
Er lebte.
Ja, das Erbe des großen Buddha lebte tatsächlich.
»Ich möchte dir erklären, welch eine Bedeutung dieser Stab hat«, drang die Stimme des Klostervorstehers durch Sukos Gedanken, und der Chinese schaute auf. »Er ist keine Angriffswaffe, so etwas hat der große Buddha verabscheut, aber du kannst mit diesem Stab die Zeit anhalten. Das heißt, befindest du dich in einem Kampf und sagst ein bestimmtes Wort, so erstarrt dein Gegner für eine Zeitspanne von fünf Sekunden zur völligen Regungslosigkeit. Aber nicht nur er, auch die Umwelt wird so reagieren. Du bekommst dadurch die Zeit, die du brauchst, um deine Feinde zu besiegen. Doch eins lass dir gesagt sein. Töten darfst du deine Feinde nicht, wenn sie wehrlos sind. Solltest du es trotzdem tun, wird der Stab seine Wirkung verlieren. Buddha hasste die Gewalt, wir hassen sie ebenfalls. Doch in den Händen eines Würdigen kann der Stab zu einem Heilmittel werden. Das wollte ich dir noch sagen.«
Suko verbeugte sich. »Ich danke dir«, flüsterte er. »Ich danke dir von ganzem Herzen. Ich werde den Stab wie meinen Augapfel hüten, ihn nie so benutzen, dass seine
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