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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Blonden gefielś ebenfalls nicht. Sie schnellte in die Höhe und schlug mit einer Hand in die Luft. Die
    Nervenanspannung machte ihr Gesicht alt und häßlich.
    Während er mich beobachtete, riß Brody eine kleine Schublade im Schreibtisch auf und holte eine Automatic mit Elfenbeingriff heraus. Er hielt sie der Blonden hin. Sie huschte zu ihm hinüber und nahm sie in eine zitternde Hand.
    »Setz dich zu ihm«, sagte Brody. »Nimm ihn aufs Korn, tief unten, und weg von der Tür. Wenn er sich mausig macht, dann tu, was du nicht lassen kannst. Wir sind noch nicht im Eimer, Baby.«
    »Oh, Joe«, wimmerte die Blonde. Sie kam auf mich zu und setzte sich neben mich auf den Diwan und nahm meine Beinarterie ins Visier. Der Flackerblick in ihren Augen gefiel mir noch weniger.
    Die Türglocke hörte auf zu musizieren, und es folgte ein schnelles, ungeduldiges Pochen auf Holz. Brody steckte seine Hand in die Tasche zu seiner Waffe und ging hinüber zur Tür und öffnete sie mit seiner Linken. Carmen Sternwood drängte ihn zurück in den Raum, indem sie einen kleinen Revolver gegen seine dünnen, braunen Lippen hielt.
    Brody wich vor ihr zurück, mit malmendem Mund und panisch entsetztem Gesicht. Carmen schloß die Tür hinter sich und blickte weder mich noch Agnes an. Sie pirschte langsam hinter Brody her, ihre Zunge sah ein wenig zwischen ihren Zähnen hervor. Brody nahm beide Hände aus den Taschen und fuchtelte beschwichtigend mit ihnen herum. Seine Augenbrauen bildeten putzige Kurven und Winkel. Agnes wandte die Waffe von mir weg und schwenkte sie auf Carmen.
    Ich ließ meine Hand vorschießen und schloß meine Finger fest über ihrer Hand und drückte mit dem Daumen auf die Sicherung. Es war bereits gesichert. Ich ließ es dabei. Es gab ein kurzes stummes Gerangel, dem weder Brody noch Carmen die geringste Beachtung schenkte. Ich hatte die Kanone. Agnes holte tief Atem und zitterte am ganzen Leibe.
    Carmens Gesicht sah aus wie poliertes Elfenbein, und ihr Atem pfiff. Ihre Stimme sagte tonlos: »Ich will meine Bilder, Joe.«
    Brody schluckte und versuchte zu grinsen. »Klar, Kindchen, klar.« Er sagte das mit einer leisen, flachen Stimme, die mit seiner großen Lippe mir gegenüber so wenig zu tun hatte wie ein Roller mit einem Zehntonner.
    Carmen sagte: »Du hast Geiger erschossen. Ich habe dich gesehen. Ich will meine Bilder.« Brody wurde ganz grün.
    »He, einen Moment, Carmen«, rief ich.
    Blond-Agnes erwachte mit einem Ruck zu neuem Leben. Sie duckte ihren Kopf und grub ihre Zähne in meine rechte Hand.
    Ich grunzte und schüttelte sie ab.
    »Hör zu, Kindchen«, sagte Brody. »Hör einen Moment zu
    ...« Die Blonde spuckte mich an und warf sich auf mein Bein und versuchte, da hineinzubeißen. Ich haute ihr mit der Pistole auf den Kopf, nicht sehr hart, und versuchte aufzustehen. Sie rollte an meinen Beinen hinunter und umschlang sie mit ihren Armen. Ich fiel zurück auf den Diwan. Die Blonde war kräftig, aus irrer Liebe oder wahnwitziger Angst oder einer Mischung von beidem, vielleicht war sie überhaupt kräftig. Brody grapschte nach dem kleinen Revolver, der so dicht vor seinem Gesicht war. Er griff fehl. Die Waffe machte ein scharfes Klopfgeräusch, das nicht sehr laut war. Die Kugel zerbrach Glas in einem der halboffenen Fenster.
    Brody stöhnte entsetzlich und fiel auf den Boden und riß Carmens Füße unter ihr weg. Sie purzelte hin, und der kleine Revolver schlitterte weg in eine Ecke. Brody sprang auf die Knie und griff nach seiner Tasche.
    Ich schlug Agnes auf den Kopf, diesmal weniger feinfühlig, stieß sie von meinem Fuß und stand auf. Brody ließ seine Augen zu mir wieseln. Ich zeigte ihm die Automatic. Er gabś auf, seine Hand in die Tasche zu kriegen.
    »Um Himmels willen«, winselte er. »Sie soll mich nicht umbringen!«
    Ich begann zu lachen. Ich konnte mich nicht beherrschen und lachte wie ein Kretin. Blond-Agnes saß auf dem Fußboden, die Hände platt auf dem Teppich, mit weit offenem Mund und einer Strähne metallisch blonden Haars über ihrem rechten Auge. Carmen krabbelte auf Händen und Knien, ihr Atem pfiff immer noch. Das Metall ihres kleinen Revolvers blitzte in der Ecke vor der Wandleiste. Sie kroch beharrlich darauf zu.
    Ich winkte Brody mit meinem Anteil am Waffensortiment und sagte: »Stehen Sie auf. Es ist Ihnen nichts passiert.« Ich machte einen Schritt an dem kriechenden Mädchen vorbei und hob die Waffe auf. Sie sah mich an und begann zu kichern. Ich steckte ihre Waffe ein und gab

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