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Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)

Titel: Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cheryl Strayed
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den Kopf, dass ich nichts festhalten konnte.
    »Wann brichst du morgen auf?«, fragte ich.
    »Sobald es hell wird.«
    »Ich auch«, sagte ich. Ich wollte mich am nächsten Morgen nicht von ihm verabschieden. Trina, Stacy und ich hatten beschlossen, in den kommenden Tagen zusammen zu wandern, aber Brent wanderte schneller als wir und würde folglich allein gehen.
    »Und? Hast du dir was gewünscht?«, fragte er.
    »Ich überlege noch.«
    »Es ist ein guter Zeitpunkt, sich was zu wünschen«, sagte er. »Es ist unsere letzte Nacht in der Sierra Nevada.«
    »Auf Wiedersehen, Gebirge des Lichts«, sagte ich in den Himmel.
    »Du könntest dir ein Pferd wünschen«, sagte Brent. »Dann bräuchtest du dir wegen deiner Füße keine Sorgen zu machen.«
    Ich sah ihn im Dunkeln an. Es stimmte – der PCT stand Wanderern und Lasttieren offen, obwohl ich auf dem Trail noch keinem Reiter begegnet war. »Ich hatte mal ein Pferd«, sagte ich und blickte wieder zum Himmel. »Sogar zwei.«
    »Na, dann kannst du von Glück sagen«, erwiderte er. »Nicht jeder bekommt ein Pferd.«
    Wir schwiegen zusammen noch eine Weile.
    Ich wünschte mir etwas.

Teil Vier –
Ungebändigt
    Wenn ich kein Dach hatte,
machte ich mir Kühnheit zum Dach.
    ROBERT PINSKY Samurai Song
    Niemals aufgeben. Nie, nie, nie.
    WINSTON CHURCHILL

11 –
Lou
    Ich stand am Stadtrand von Chester neben dem Highway und hielt den Daumen raus, als ein Mann in einem silbernen Chrysler LeBaron anhielt und ausstieg. In den vorausgegangenen rund fünfzig Stunden war ich mit Stacy, Trina und dem Hund von Belden Town aus achtzig Kilometer zu einem Ort namens Stover Camp getrampt, hatte mich aber zehn Minuten zuvor von ihnen getrennt, als ein Paar in einem Honda Civic anhielt und erklärte, dass es nur Platz für zwei hatte. »Fahr du mit«, hatte eine zur anderen gesagt, »nein du«, bis ich mich am Ende durchsetzte. Stacy und Trina waren eingestiegen, Odin hatte sich irgendwie dazugequetscht, und ich hatte ihnen versichert, dass ich schon klarkommen werde.
    Und ich würde klarkommen, sagte ich mir, als der Mann aus dem Chrysler LeBaron auf dem geschotterten Randstreifen auf mich zukam, obwohl ich ein mulmiges Gefühl bekam und zu erkennen versuchte, was er vorhatte. Er sah eigentlich ganz nett aus, ein paar Jahre älter als ich. Er war nett, beschloss ich, als mir die Stoßstange seines Wagens ins Auge stach. Darauf prangte ein grüner Aufkleber, auf dem IMAGINE WHIRLED PEAS stand.
    Hat es je einen Serienmörder gegeben, der vom Weltfrieden träumte und witzige Wortspiele mochte?
    »Hallo«, rief ich freundlich, plötzlich die lauteste Pfeife der Welt in der Hand. Ohne dass ich es gemerkt hatte, war meine Hand um das Monster herum zu der Nylonschnur gewandert, die am Rucksackrahmen baumelte. Ich hatte die Pfeife seit dem Bullenangriff nicht mehr benutzt, aber seit damals war mir ihre Gegenwart jederzeit geradezu körperlich bewusst, als wäre sie nicht nur am Rucksack festgebunden, sondern mit einer zweiten, unsichtbaren Schnur auch an mir.
    »Guten Morgen«, sagte der Mann und streckte mir die Hand entgegen, wobei ihm die braunen Haare in die Augen fielen. Er sagte, er heiße Jimmy Carter – nein, weder verwandt noch verschwägert – und könne mich leider nicht mitnehmen, da er keinen Platz im Wagen habe. Ich schaute hin und sah, dass es stimmte. Bis auf den Fahrersitz war der gesamte Innenraum bis zu den Fenstern vollgestopft mit Zeitungen, Büchern, Kleidern, Getränkedosen und diversen anderen Sachen. Stattdessen fragte er, ob er mit mir reden könne. Er arbeite als Reporter für eine Zeitschrift namens Hobo Times, fahre im Land herum und interviewe Leute, die als Hobos lebten.
    »Ich bin kein Hobo«, erwiderte ich amüsiert. »Ich bin eine Fernwanderin.« Ich ließ die Pfeife los, streckte den Arm in Richtung Straße und hielt einem vorbeifahrenden Van den Daumen hin. »Ich wandere auf dem Pacific Crest Trail«, erklärte ich ihm und sah ihn an. Ich wollte, dass er wieder in seinen Wagen stieg und wegfuhr. Ich brauchte noch zwei Mitfahrgelegenheiten auf zwei verschiedenen Highways, um nach Old Station zu kommen, und er war mir dabei nur hinderlich. Ich war verdreckt, und meine Kleider waren noch verdreckter, aber ich war immer noch eine allein reisende Frau. Jimmy Carters Gegenwart komplizierte die Dinge, denn sie veränderte das Bild aus der Sicht vorbeikommender Autofahrer. Ich musste daran denken, wie lange ich an der Straße gestanden hatte, als ich mit Greg

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