Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst (German Edition)
widerfahren war, war in den Beton gerührt, der in dem Moment, als die Astrologin mir sagte, dass mein Vater mich infiziert habe, meinen Kopf absolut still hielt.
»Verletzt?«, war alles, was ich herausbrachte.
»Ja«, sagte Pat. »Und Sie sind an der gleichen Stelle verletzt. Genau das tun Väter, wenn ihre Wunden nicht heilen. Sie verletzen ihre Kinder an der gleichen Stelle.«
»Hmm«, machte ich mit ausdruckslosem Gesicht.
»Ich könnte mich irren.« Sie blickte auf das Blatt Papier zwischen uns. »Es ist nicht unbedingt wörtlich zu nehmen.«
»Ich habe meinen Vater nur dreimal gesehen, seit ich sechs war«, sagte ich.
»Ein Vater hat die Aufgabe, seinen Kindern beizubringen, Krieger zu werden, ihnen das Selbstvertrauen zu geben, aufs Pferd zu steigen und in die Schlacht zu reiten, wenn es notwendig ist. Wenn Sie es von Ihrem Vater nicht gelernt haben, müssen Sie sich es selbst beibringen.«
»Aber … ich glaube, das habe ich schon«, sprudelte es aus mir heraus. »Ich bin stark … Ich stelle mich den Dingen. Ich …«
»Hier geht es nicht um Stärke«, sagte Pat. »Und Sie mögen es nicht so sehen können, aber vielleicht kommt irgendwann der Tag – das könnte in vielen Jahren sein –, an dem Sie auf Ihr Pferd steigen und in die Schlacht reiten müssen, und Sie werden zögern. Sie werden zaudern. Um die Wunde zu heilen, die Ihnen Ihr Vater zugefügt hat, müssen Sie auf dieses Pferd steigen und in die Schlacht reiten wie eine Kriegerin.«
Ich lachte damals ein wenig, ein verlegenes, krächzendes Kichern, das eher traurig als fröhlich klang. Ich weiß das, weil ich die Tonbandkassette mit nach Hause nahm und mir später immer wieder anhörte. Um die Wunde zu heilen, die Ihnen Ihr Vater zugefügt hat, müssen Sie auf dieses Pferd steigen und in die Schlacht reiten wie eine Kriegerin. Krächzendes Gekicher.
Zurückspulen. Wiederholen.
»Möchtest du die mal kosten«, fragte mich mein Vater öfter, wenn er wütend war, und hielt mir seine Männerfaust nur Zentimeter vor mein drei-, vier-, fünf- oder sechsjähriges Gesicht. »Möchtest du? Hä? HÄ?«
»ANTWORTE MIR!«
Ich zog meine bescheuerten Sandalen an und machte mich auf den weiten Weg nach Castle Crags.
13 –
Eine Ansammlung von Bäumen
Es war eine Frau, der die Idee zum PCT kam, die pensionierte Lehrerin Catherine Montgomery aus Bellingham, Washington. In einem Gespräch mit dem Bergsteiger und Schriftsteller Joseph T. Hazard schlug sie vor, einen von Grenze zu Grenze führenden »Trail entlang den Höhen unserer westlichen Gebirgszüge« anzulegen. Das war 1926. Eine kleine Gruppe von Wanderern zeigte sich sofort begeistert, doch erst sechs Jahre später, als Clinton Churchill Clarke die Idee aufgriff, nahm sie konkretere Formen an. Clarke war ein Ölbaron, der in Pasadena ein sorgenfreies Leben führte, aber auch ein begeisterter Naturliebhaber. Entsetzt über eine Kultur, deren Vertreter »zu viel Zeit in weichen Autositzen und Kinosesseln zubringen«, setzte er sich bei der Bundesregierung dafür ein, einen Wildniskorridor für den Trail zu reservieren. Sein Traum ging freilich weit über Montgomerys Vorschlag hinaus: Ihm schwebte ein viel längerer »Trail der Amerikas« vor, der von Alaska bis Chile reichte. Er versprach sich von der Begegnung mit der Wildnis »eine dauerhafte heilsame und zivilisierende Wirkung« und trat fünfundzwanzig Jahre lang für den PCT ein. Als er 1957 starb, war der Trail jedoch nach wie vor nur ein Traum.
Clarkes vielleicht wichtigster Beitrag zum Trail war seine Bekanntschaft mit Warren Rogers, der 1932, als die beiden sich zum ersten Mal begegneten, vierundzwanzig Jahre alt war. Rogers arbeitete damals für den YMCA im kalifornischen Alhambra und ließ sich von Clarke dazu überreden, beim Abstecken der Route zu helfen. In dessen Auftrag kartografierten Teams von YMCA-Freiwilligen den Wanderweg, aus dem später der PCT werden sollte, und legten mancherorts sogar Teilstücke an. Trotz anfänglicher Skepsis begeisterte sich Rogers bald für die Idee und widmete sich bis zu seinem Tod der Aufgabe, für den Trail zu werben und alle gesetzlichen, finanziellen und logistischen Hindernisse, die seiner Verwirklichung im Weg standen, zu beseitigen. Rogers durfte noch erleben, wie der Kongress 1968 die Einrichtung des Pacific Crest National Scenic Trail per Gesetz beschloss, starb jedoch 1992, ein Jahr vor der Fertigstellung des Trails.
Ich hatte das Kapitel über die Geschichte des Trails in meinem
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