Der Hahn ist tot
dich gibt, Gott«, . sagte ich, »dann schenk mir einmal im Leben das Glück der Liebe, das du anderen Menschen wahllos und reichlich in den Schoß wirfst. Ich habe dich nie um etwas gebeten. Jetzt ist es mir ernst. Wenn es dich geben sollte, dann mach, daß mich Witold liebt und wir uns kriegen. Wenn du aber ungerecht und hartherzig bist und dieses Gebet überhaupt nicht zur Kenntnis nimmst, dann werde ich in Zukunft keine Rücksichten mehr auf deine Gebote nehmen.«
Rosi, du willst den lieben Gott erpressen, dachte ich und mußte lachen.
Von Beates Kindern hörte ich nichts. Obgleich ich früher kaum je einen Gedanken an sie verschwendet hatte, beschäftigte mich jetzt ihr weiteres Schicksal. Ob man Beates Wohnung verkauft hatte? Ich entschloß mich eines Tages, ihre Nummer zu wählen. Der Sohn meldete sich, den ich am wenigsten kannte.
»Tag Richard«, sagte ich leise, »eigentlich wollte ich nur fragen, ob Beate irgendeinem Verein oder einer
gemeinnützigen Organisation nahegestanden hat, für die ich eine Spende einzahlen könnte.«
Es entstand eine Pause, Richard grübelte.
»Du kannst ja was für Greenpeace überweisen«, schlug er vor.
»Ah ja? Ich wußte gar nicht, daß Beate sich dafür interessiert hat.«
»So direkt nicht«, wich er aus, »aber Greenpeace ist eine gute Sache, und meine Mutter war o. k.«
Ich fragte, wie es seinen Schwestern ginge.
»Der Opa war bis vor kurzem hier, er meinte, er müßte uns arme Kleinkinder versorgen, aber natürlich war es umgekehrt. Lessi wohnt auch noch hier, ich nur manchmal. Vivian ist wieder in Frankfurt. Wie es uns geht - natürlich schlecht. So was verkraftet man nicht so fix.«
Ich fragte, ob Beates Wohnung verkauft würde. Vorläufig nicht, sagte er, ihre ganzen Sachen seien ja auch drin, das sei alles noch nicht geklärt.
»Unser Vater kümmert sich auf einmal um uns, wie er das die letzten zehn Jahre nie getan hat«, erzählte Richard mit mildem Vorwurf. Ich verabschiedete mich und versprach eine Spende für Greenpeace.
Immerhin hatte ich erfahren, daß Vivian wieder in Frankfurt wohnte, schließlich hatte das Semester auch begonnen. Wahrscheinlich konnte sie sich mit Witold kaum täglich treffen, denn eine Stunde Fahrzeit hin und eine zurück waren an einem normalen Arbeitstag zu aufwendig. Oder machte das der Jugend nichts aus? Vivian hatte bisher kein Auto besessen, es war möglich, daß sie jetzt Beates Polo fuhr.
Ich rief Witold an. Er klang weinerlich. Gerade habe er eine starke Erkältung hinter sich, die jugoslawische Putzfrau überraschte ihn ständig mit fettem Essen, obgleich sie doch gar nicht kochen sollte, und in der Schule sei er mit wahnsinnig viel Arbeit eingedeckt. Demnächst gebe es Herbstferien, und eigentlich hätte er ein paar Tage mit Vivian verreisen wollen.
»Warum nur >eigentlich« fragte ich aufs äußerste interessiert.
»Manchmal denke ich schon«, seufzte der arme Witold, »daß ich ein alter Mann bin. Diese jungen Mädchen sind so sprunghaft. Wir hatten den schönen Plan, eine Woche im Elsaß zu wandern. Nun ruft sie plötzlich an, daß sie mit einer Freundin nach Amsterdam fährt, weil dort eine Party stattfindet! Ich bitte dich, Thyra, sie läßt mich wegen einer Party sitzen! Na ja, >sitzenlassen< ist vielleicht etwas übertrieben ausgedrückt«, korrigierte er sich, »ich habe im Prinzip ja Verständnis für spontane Entschlüsse. Aber ich habe diese Wanderungen durch die Vogesen schon in allen Einzelheiten ausgearbeitet...« Mir gefielen seine enttäuschten Worte sehr, aber ich mußte höflicherweise mein Bedauern zum Ausdruck bringen. Immerhin bot sich die Gelegenheit, ihm ersatzweise einen herbstlichen Wandertag mit einem älteren Semester, wie ich scherzhaft sagte, anzubieten.
»Schade, daß du nicht Urlaub hast«, bedauerte Witold charmant, »ich überlege nämlich, ob ich diese gut ausgearbeitete Wanderung nicht mit einer Gruppe von Kollegen und Freunden ...«, ich unterbrach ihn geistesgegenwärtig und behauptete, ich könne jederzeit Urlaub nehmen.
»Wirklich?« es kam gedehnt, »dann warte aber noch ab, Thyra, bevor du den Urlaub einreichst. Mir schwebt so eine Gemeinschaft von acht bis zehn Leuten vor, die ich alle noch nicht gefragt habe. Ich gebe dir Bescheid, sobald ich Näheres weiß!«
Begeistert war er nicht gerade gewesen, aber das konnte man auch nicht erwarten, wenn er die Wanderung jetzt nur aus Trotz machen wollte und es eigentlich eine Liebesreise mit Vivian hätte sein
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