Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
Uhr.
    Rhodes verspürte ein leichtes Frösteln. Er fragte sich, ob er Mr. Nakamura tatsächlich je begegnen würde, ob es ihn überhaupt gab, ja sogar, ob dieser Mr. Kurashiki eine reale Person war. Dem Aussehen und der Sprache nach wirkte er eigentlich eher wie eine Simulation.
    Dann sagte er sich, dass sein Verhalten dümmlich sei. Kurashiki war einfach für die Termine zuständig, weiter nichts; und er war eine reale Person, bestimmt, jedenfalls soweit das einer von diesen Japsen jemals sein konnte. Svoboda hatte es exakt erkannt: Es handelte sich um was Ernstes, ein reales Angebot von einem real existierenden Megakonkurrenten.
    »Heute Mittag«, sagte Rhodes. Das bedeutete, dass er fast sofort aufbrechen musste. Aber das würde vielleicht verhindern, dass seine sprichwörtliche Unpünktlichkeit die Sache vermasseln könnte. Wahrscheinlich war es diesmal doch angebracht, nicht zu spät zu kommen. »Dürfte ich um Richtungsdirektiven bitten …«
    »Du wirst von Berkeley kommen? Vom Tower der Santachiara Technologies?«
    »Ja.«
    »Die Fahrt wird vierzehn Minuten und dreißig Sekunden dauern. Sobald du auf den Highway 24 kommst, sage deinem Wagen, der Streckenmodulcode ist H112.O3/Zufahrt WR52.«
    Rhodes tippte den 30-sec-Datenabruf, und der Ausdruckerschlitz der Anlage spuckte die Ziffern aus. Er bedankte sich bei Kurashiki und beendete das Gespräch.
    »Alle Termine für heute Nachmittag absagen«, befahl er. »Ich bin nicht im Haus.«
    Die diablos bliesen noch immer, als sein Wagen aus der Garage heraufkam. Ein geradezu greifbarer, körperlicher Wind, hart und messerscharf, vielleicht 80 km/h. Und er würde da mitten hineinfahren. Man konnte den Wind regelrecht sehen. Er trieb sichtbar durch das Gesamtkontinuum der Atmosphäre. Er hatte die Gestalt einer geisterhaften goldgelben Aura von irgendwie uringelber Tönung: ein rasch ziehender organischer Dunstschleier, virulente, phosphoreszierende, in die Höhe geschleuderte Strudel industrieller Kontaminationsstoffe, die aus dem Fabrikgürtel auf der anderen Seite des Walnut Creek westwärts drifteten. Die Luft war dermaßen voll von dem Zeug, dass sie wie geschwängert wirkte, als könnte sie alles, was sie auf dem Weg zum Meer berührte, ebenfalls schwängern. Rhodes dachte an die neue Theorie Van Vliets von der schwimmenden Aminosäurensuppe, aus der wundersam virulente Bakterien entstehen sollten. Vielleicht war dieser Wind da der entscheidende Faktor, der heute, an diesem Nachmittag, diese lustige neue chemische Verbindung zum Leben erwecken, von der Van Vliet behauptete, dass sie bald im Meer entstehen werde.
    Rhodes verabscheute es, wenn das Gehirn seines Wagens für ihn dachte. Doch diesmal wusste er wirklich nicht, wohin er überhaupt fuhr, nur dass der Streckenkurs H112.O3/access WR52 lautete und das Ziel irgendwo in der Gegend von Walnut Creek lag.
    »Bring mich zu H112.O3/access WR52«, sagt er seinem Wagen. Und der wiederholt gehorsam die Angaben.
    »Übrigens, wo liegt das?«, fragte Rhodes.
    Aber das Auto konnte ihm nur den Fahrtcode noch einmal wiederholen. Für das Gehirn des Fahrzeugs war das angestrebte Ziel eben als H112.O3/access WR52 ausreichend definiert, und Punkt.
    Der Wagen lag gut auf der Straße, wenn man die Geschwindigkeit des entgegenkommenden Windes berücksichtigte. Er brachte Rhodes fast ohne Schwanken durch den uralten Calbecott Tunnel und in das ausgebleichte versengt aussehende Land im Osten der Berge, wo die Temperatur stets um zwanzig Grad höher war, weil die kühle Pazifikbrise nicht so weit landeinwärts reichte, selbst an Tagen nicht, an denen keine Diablos brüllten. Und heute, bei dem heißen Ostwind, waren die Temperaturunterschiede wahrscheinlich noch viel größer: Richtige Wüstenhitze hier draußen, dachte er, Backofenglut, da brätst du in einer halben Minute durch wie ein Omelett. Aber er saß in der luftdicht versiegelten Blase seines Wagens bequem in Sicherheit und glitt rasch über den Freeway an den ehrwürdigen Hochhäusern der alten stillen Suburbia-Gemeinden vorbei, an Orinda, Lafayette, Pleasant Valley, auf die wuchernde miserable Metropole Walnut Creek zu – und dann, knapp vor dem Autobahnkreuz ein Zick und ein Zack, und der Wagen verließ die Hauptfahrbahn und schwang sich in die Berge hinauf. Hier oben war es absolut leer, erstaunlich leer, nur hin und wieder eine knorrige Eiche mitten auf dem sonnenverbrannten Gras. Der Wagen fuhr durch ein Sicherheitstor, dann durch ein zweites, dann kam ein

Weitere Kostenlose Bücher