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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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konnte. Es war erst Anfang September, der Sommer hier hatte gewöhnlich einen langen Atem. Trot z dem räkelten sich nur wenige Leute in der Sonne. Vielleicht war es noch zu früh.
    Auf der Straße vor der Bar standen sieben oder acht runde Tische. Nico ließ sich müde in einen Stuhl fallen, zog sich einen zweiten heran, auf den er das rote Buch legte, nahm die Sonnenbrille ab und massierte sich die Nase. Ein hemdsärmeliger Ober fragte ihn nach seinen Wünschen. Was er tatsächlich wollte, würde der schnurbärtige Mann ihm wohl nicht erfüllen können, also bestellte er sich einen doppelten Grappa.
    Sobald er sich wieder allein überlassen war, begannen seine Gedanken erneut zu kreisen. Glaubst du, du wirst jetzt endlich Frieden finden? Nein, schon jetzt, weniger als eine Stunde nach Manzinis Verhaftung wusste er, dass diese Hoffnung sich nicht erfüllen würde. Möglicherweise endete das Leben seines Widersachers im Angesicht des Henkers, aber sein eigenes würde bis zuletzt am Verlust des einzigen Mädchens leiden, das er je geliebt hatte.
    In seinem desolaten Zustand bemerkte Nico nicht einmal die gedrückte Stimmung, die auch unter den drei oder vier übrigen Gästen an den benachbarten Tischen herrschte. Plötzlich fiel eine schwere Hand auf seine Schulter, und er schrie vor Schreck auf.
    »Ruhig Blut, amico mio «, sagte eine ihm nur allzu b e kannte Stimme. Nico drehte den Kopf und riss die Augen auf. Hinter ihm stand ein junger Mann mit breiter Nase und dunklem Vollbart, den er trotzdem sofort wiedererkannte.
    »Bruno, musst du dich so anschleichen!«
    »Pscht!«, machte der und grinste. Während er sich einen Stuhl heranzog und sich darauf setzte, flüsterte er: »In den letzten Monaten habe ich das Pirschen gelernt. Du hast dich verändert, aber der Bart steht dir.«
    »Dito. Heute kam ich mir allerdings so vor, als existiere er überhaupt nicht. Alle haben mich wiedererkannt.«
    »Vielleicht bildest du dir das nur ein. Mir ging’s genauso, wenn mich mal einer länger als zwei Sekunden angeglotzt hat. Aber ich hatte allen Grund, mein Äußeres zu verä n dern. Bis zu Mussolinis Abgang kam ich mir vor wie ein Phantom.«
    »Selber schuld, wenn du bei der Giustizia e Libertà mi t mischst.«
    »Soll ich etwa mitmachen, wenn die Schwarzhemden ihre Lieder grölen, so wie …?«
    »Nimm dich in Acht, was du sagst. Du weißt, dass ich weder bei der Hitlerjugend war noch mit den Faschisten marschiert bin. Haust du eigentlich immer noch unter dem Torre Astura?«
    Bruno gab dem Ober einen Wink und bestellte sich einen Cappuccino. Anschließend sagte er: »Im Torre herrscht gerade mal wieder Betrieb. Hab ein paar Nächte in den Höhlen unter der Nero-Villa zugebracht. Zuletzt war ich bei der Gruppe südlich von Nettunia?«
    »Etwa in den Sümpfen?«
    »Das ist geheim.«
    »Verstehe. Du traust mir nicht mehr.«
    »Ich kann schlecht von meinen Leuten verlangen, die Klappe zu halten, und mich selbst darüber hinwegsetzen. Wie steht’s mit dir? Ist der Bart Mode oder Maske?«
    »Ich hatte Letzteres gehofft.« Nico verzog das Gesicht.
    »Ha! Du darfst nicht von deinem ältesten Freund auf die Allgemeinheit schließen. Die Leute sind so was von obe r flächlich! Ich kam mir anfangs auch so vor, als würde ich ein Schild mit meinem Namen um den Hals tragen, aber tatsächlich hat kaum einer von mir Notiz genommen. Du sagtest, alle hätten dich erkannt. Wen meinst du damit?«
    »Donna Genovefa, unseren geschassten Podestà und … Laura.« Nicos Magen verkrampfte sich sofort wieder.
    »Sag bloß, du warst im Palazzo Manzini?«
    Er nickte. »Mit einem Heer von Carabinieri. Das ehem a lige Stadtoberhaupt von Nettunia sitzt jetzt hinter Gittern.«
    »Und das hast du angeleiert?«
    »Allerdings. Mit einem Fingerabdruck von Don Massim i lianos Daumen. Er hat ihn mit dem Blut meines Vaters in unser Auftragsbuch gestempelt.«
    Bruno pfiff durch die Zähne. »Was ist mit Laura? Wie hat sie darauf reagiert?«
    »Sie hasst mich dafür.«
    Der Sohn des Kunstmalers starrte vor sich hin. Nach einer Weile begann sein Kopf sacht zu wippen. »Auf ihre Art kann ich sie sogar verstehen.«
    »Dann besitzt du mehr Einfühlungsvermögen in ihre Se e le als ich.«
    »Kann sein.«
    Nico sah seinen Freund scharf an.
    Bruno breitete die Hände aus. »Immer noch eifersüchtig? Ich bin ein Künstler. Da hat man mehr Gespür für die G e fühle der Frauen, als wenn man Mechaniker ist.«
    »Uhrmacher.«
    »Ja, ich weiß: Der Leblosen Liebling. Durch

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