Der Himmel über der Heide (German Edition)
anders.»
Dann steckte sie ihn zwischen Hosen, Shirts, Socken und Unterwäsche in die Tasche, die sie zuletzt während eines Urlaubs auf Lanzarote benutzt hatte. Damals war sie noch glücklich gewesen mit Simon. Oder redete sie sich auch das nur ein?
Wütend riss Kati den Gepäckstreifen der Airline ab und trug die Tasche in den Flur. Sie wollte nur noch einige Sachen aus dem Bad holen, als sie hörte, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde, und erschrocken innehielt.
Simon musterte sie schweigend. Er musste ihr ansehen, wie verletzt sie war. Vorsichtig trat er näher, streckte die Arme nach ihr aus und zog sie an sich.
Kati wollte ihrem ersten Impuls folgen und seine Hände wegschieben, um sich der Umarmung zu entziehen. Doch sie war zu schwach. Sie konnte nicht anders, als sich einfach nur fallenzulassen und zu weinen.
Meistens war Simon mit ihren Emotionen überfordert gewesen. Immer wenn sie heulen musste, ließ er einen dämlichen Spruch vom Stapel. Aber diesmal war es anders. Er drückte sie ganz fest an sich und streichelte ihr sanft über den Kopf.
«Du musst mir glauben», flüsterte er, «ich wollte dich nicht verletzen.»
«Hast du aber», nuschelte Kati und spürte, dass sein Hemd bereits eine nasse Stelle an der Brust bekam, wo ihr Gesicht lag.
Sie löste sich aus seiner Umarmung und sah ihn eindringlich an. «So eine Szene hätten wir uns wirklich ersparen können. Vielleicht hätten wir schon längst die Notbremse ziehen müssen.»
Zu ihrer Verwunderung schien Simon nicht überrascht. Offensichtlich verstand er genau, was sie damit sagen wollte, und statt etwas zu erwidern, schob er Kati ins Wohnzimmer und bugsierte sie zum Sofa. Fast kam sich Kati wie ein kleines Kind vor. Erst recht, als er sich vor sie auf den Boden kniete.
Dann erschrak sie und fürchtete für einen kurzen Moment, ihr Herz würde stehen bleiben. Simon konnte doch nicht jetzt, in dieser unmöglichen Situation, das machen, worauf sie schon seit Monaten wartete.
«Du willst mir ja wohl keinen Antrag machen?», fragte sie ehrlich entsetzt.
«Nein, das will ich nicht.» Simon musste lächeln. Dann wurde er wieder ernst und fügte noch hinzu: «Und um ehrlich zu sein, hatte ich das auch nie vor.»
Das saß. Kein anderer Satz hätte Kati tiefer treffen können.
Da sie weiter schwieg, sprach Simon nach einer Pause ruhig und wie immer wohlüberlegt weiter: «Ich gehe vor dir auf die Knie, weil ich dich um Verzeihung bitten möchte. Für das, was gestern passiert ist, und für das, was in den letzten Jahren nicht passiert ist. Ich habe dich oft mies behandelt, ohne es zu wollen, und dir nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die du verdient hättest.» Nach einer Weile fügte er noch hinzu: «Aber ich habe dich wirklich geliebt, weißt du?»
Schon wieder bohrte sich das Messer in Katis Herz. Diesmal bohrte sich die Klinge sogar noch ein Stück tiefer hinein.
Doch sie atmete weiter, erstaunlich ruhig sogar, ein und aus, und lauschte seinen Worten. Und als wäre ihr Unterbewusstsein schon lange darauf programmiert gewesen, passierte schließlich etwas Erstaunliches.
Sie hörte sich selbst wie aus weiter Ferne sprechen, hörte, wie sie ihn unterbrach und Worte für ein Gefühl fand, das sich seit längerer Zeit in ihr breitgemacht hatte.
«Ich liebe dich auch nicht mehr», sagte sie leise, «jedenfalls nicht so, wie ich einen Mann lieben müsste, mit dem ich mir eine gemeinsame Zukunft wünsche. Ich weiß nicht, ob ich dir verzeihen kann. Ich weiß nur, dass ich mir nicht verzeihen könnte, wenn wir so weitermachen würden wie bisher», sagte sie mit etwas festerer Stimme. Die Sätze waren nur so aus ihr herausgesprudelt, ohne dass Kati jemals über diese Wahrheiten nachgedacht hatte.
Plötzlich traten Simon Tränen in die Augen. Er nickte und drehte sich weg, damit sie nicht sah, dass er sich genauso schwer tat.
Er richtete sich auf und setzte sich neben sie. Nach einer Weile drehte er ihr den Kopf zu und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht.
Dann nahmen sie sich wieder in die Arme und hielten sich eine ganze Zeitlang fest umschlungen. Bis Kati sich löste und vorschlug, dass sie erst einmal getrennte Wege gehen sollten. Sie berichtete Simon von ihrem unbezahlten Urlaub und der Idee, in der Heide etwas Abstand zu allem zu gewinnen.
«Der alte Despot hat dir wirklich vier Wochen Urlaub genehmigt?», fragte Simon erstaunt.
Kati schnaubte. «Pah! Vermutlich ist er froh, auf diese Weise Geld zu sparen. Dafür ist ihm
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