Der Junge aus dem Meer
kein Gerichtssaal.“
„In der Sache hat der Abgeordnete recht“, bemerkte Herr Kubatz. „Aber für den Affen muß ich einen Tadel aussprechen.“
„Ich entschuldige mich“, sagte Emil Langhans, „und nehme den Affen vorläufig zurück.“
Inzwischen hatte der Junge mit den vielen Sommersprossen im Gesicht den Wellensittich von seiner Schulter genommen und war aufgestanden. Jetzt fragte er höflich: „Womit kann ich dienen?“
Eine knappe Stunde später kam es zur Schlußabstimmung . Sie mußte zweimal wiederholt werden, weil zuerst Manuel Kohl im letzten Augenblick noch aufsprang und einen Zusatzantrag einbrachte, und dann stellte Protokollführer Pigge, gleichfalls im letzten Moment, einen Formfehler fest. Ausgerechnet Paul Nachtigall hatte die linke an Stelle der rechten Hand erhoben. Aber dann war es endlich soweit.
„Hiermit ist der Ferienplan verabschiedet und beschlossen“, konnte der Chefredakteur der Bad Rittershuder Nachrichten bekanntgeben.
Die Glorreichen Sieben erhoben sich und überschütteten sich gegenseitig mit Beifall.
„Mein Kompliment, das war so spannend wie ein Kriminalfilm“, erklärte Großmutter Kubatz. „Das muß begossen werden.“ Sie servierte Hagebuttentee und holte dazu eine große Pralinenschachtel aus dem Schrank. „Die war eigentlich als Sonntagsüberraschung gedacht“, meinte sie. „Aber man soll die Feste feiern, wie sie fallen.“
Für die folgenden zwei Tage hatten die Glorreichen Sieben in ihrem Ferienplan zuerst einmal totales Faulenzen beschlossen.
So lagen sie also vorerst nur in den Dünen herum, schmorten in der Sonne oder badeten im Meer.
„Das war meine Idee“, stellte Emil Langhans mit Genugtuung fest. „Und eigentlich müßtet ihr mir die Füße küssen, weil ich mich durchgesetzt habe.“ Seine Haut war bereits krebsrot und ließ befürchten, daß er am Rande eines Sonnenbrandes dahinbalancierte. „Gegen drei Stimmenthaltungen“, fügte er noch grollend hinzu.
Am dritten Morgen fing es dann mit den Strandläufen und dem Baden vor dem Frühstück an. Und schon nach dem Mittagessen ging es zum erstenmal auf den Fahrrädern bis zum südlichen Ende der Insel nach Hörnum. Tags darauf wanderten sie zur Abwechslung stundenlang durch das Watt, hatten manchmal das Gefühl, daß der Boden schwanken würde, sanken oft bis weit über die Knöchel in den Schlick und spürten, wie es unter ihren Fußsohlen von davonflitzenden Krabben und winzigen Plattfischen kribbelte.
Karlchen Kubatz hatte ständig seinen Fotoapparat dabei und knipste damit wie ein rasender Reporter so ziemlich alles, was ihm vor die Optik kam. Etwas schwierig wurde die Sache allerdings, als sie auf ihren Bäuchen zwischen blühendem Enzian und wilden Orchideen im Heidekraut lagen, um die Brutplätze der Seeschwalben und Silbermöwen zu beobachten. „Alles zu klein und zu weit weg“, flüsterte Karlchen Kubatz. Aber dafür hatte er dann seinen großen Moment, als die Glorreichen Sieben ihre eigene Fahne am Haus Seestern hissen durften. Fräulein Emma Zobelmann hatte ihnen dazu ein leicht ramponiertes Bettuch zur Verfügung gestellt, und sie hatten eine große rote Sieben darauf gemalt.
Einmal fuhren sie mit Florian auf einem Kutter zum Fischfang, und ein anderes Mal radelten sie nördlich zum Weißen Kliff, weiter nach List und schließlich bis zur letzten Ausbuchtung der Insel, die wie ein Ellenbogen in der Brandung liegt und deswegen auch so heißt.
Nach zehn Tagen kannten die Glorreichen Sieben die Insel schon beinahe genauso gut wie ihr gutes altes Bad Rittershude, seine Umgebung eingeschlossen.
„Was jetzt?“ fragte Fritz Treutlein und drehte sich auf den Rücken.
Sie hatten kurz zuvor noch gegen die Freunde von Florian Fußball gespielt, lagen wieder einmal nebeneinander in den Dünen und wirkten ein wenig ratlos.
Sie waren in ihrem Eifer nämlich gar nicht dahintergekommen, daß sie ihren Ferienplan bereits in einem Drittel der Zeit Punkt für Punkt erledigt hatten.
„Es ist beinahe so, als hätten wir eine Klasse übersprungen, ohne es zu merken“, überlegte Manuel Kohl. „Das darf ja nicht wahr sein.“
„Man könnte einen Abstecher nach Helgoland ins Auge fassen“, schlug der dickliche Sputnik vor.
„Oder wieder einmal ein paar Tage totales Faulenzen einlegen“, äußerte sich Emil Langhans.
„Von wegen“, protestierte Paul Nachtigall. „Das könnte dir so passen.“ Gleichzeitig knurrte Professor, der neben ihm lag. Seit dem ersten Abend klebte
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