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Der Junge aus dem Meer

Der Junge aus dem Meer

Titel: Der Junge aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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der Rauhhaardackel am Boß der Glorreichen wie sein Schatten.
    „Wir müssen irgendein tolles Faß aufmachen“, bemerkte jetzt Karlchen Kubatz. „Eine Insel ist halt eine Insel, und da passiert nichts.“
    „Immerhin ist heute nacht bei Braderup schon das vierte Haus abgebrannt“, warf der sommersprossige Florian dazwischen.
    „Und ihr seid natürlich davon überzeugt, daß wieder dieser geheimnisvolle Feuerteufel zugeschlagen hat“, erwiderte Emil Langhans.
    „Nichts Genaues weiß man nicht“, gab Florian zu.
    Eine ganze Weile war jetzt nur vom Meer herauf die Brandung zu hören und das Piepen der Möwen.
    „Herrschaften!“ rief schließlich der dickliche Sputnik und setzte sich dabei auf. Er blickte rundherum in die verdutzten Gesichter, und dann ließ er sich wieder auf den Rücken fallen. Anschließend streckte er die Arme aus, gähnte nachdrücklich und meinte: „Ich habe das düstere Gefühl, daß wir uns ab sofort ganz ungeheuer langweilen werden.“
    Womit sich der Knabe namens Otto Hugendubel ganz gewaltig getäuscht haben sollte. Als Hellseher hätte er bereits am nächsten Morgen Konkurs anmelden müssen.
    Schon am Abend schob sich nämlich von Dänemark her eine tiefschwarze Wolkenbank über das Meer, und in der Nacht jagte der Sturm ein Gewitter nach dem anderen über die Insel. Auch um das Haus Seestern herum schlugen die Blitze in die Dünen. Es wurde ganz einfach eine Nacht, die es in sich hatte.

Die Sache wird immer rätselhafter

    Am nächsten Morgen fanden die Glorreichen Sieben bei ihrem Morgenlauf den fremden Jungen am Strand.
    Als er zum zweitenmal die Augen aufschlug, fing er beinahe gleichzeitig wieder selbständig zu atmen an. Zuerst allerdings nur ganz schwach.
    „Jetzt um Himmels willen ja nicht schlappmachen“, sagte Paul Nachtigall zu sich selbst. Und obgleich er inzwischen zum Umfallen müde war, verstärkte er seine Übungen wieder, als ginge es bei einem Zehntausendmeterlauf in die letzte Runde. Er packte die Handgelenke des fremden Jungen wieder fester, breitete seine Arme auseinander und kreuzte sie ihm vor der Magengrube wieder zusammen. Er pumpte weiter, so wie er das jetzt schon beinahe zwanzig Minuten lang getan hatte. Nur daß er sich jetzt nicht mehr mit seinem ganzen Körpergewicht auf den schwarzhaarigen Jungen stemmte. Dessen Magen mußte inzwischen ja völlig leergepumpt sein. Jetzt kam es nur noch darauf an, seinen Kreislauf wieder in Schwung zu bekommen, und das schien auch zu gelingen. Jedenfalls spürte Paul Nachtigall, wie in den schmalen Körper zwischen seinen Schenkeln immer mehr Leben zurückkam. Er beugte sich tiefer über ihn und konnte unter den Rippen jetzt schon ganz deutlich den Herzschlag spüren.
    „Guten Morgen“, keuchte Paul Nachtigall, als ihm der Junge mit den pechschwarzen Haaren jetzt direkt in die Augen blickte.
    Aber der andere gab keine Antwort. Dafür holte er jetzt zum erstenmal ganz tief Luft. Anschließend verschluckte er sich allerdings, und dann bekam er einen Hustenanfall, der seinen ganzen Körper schüttelte.
    Zum Glück tauchten in diesem Augenblick Fritz Treutlein und Manuel Kohl über der Düne auf. Sie hatten einen Mann in mittleren Jahren bei sich, der einen schneeweißen Kittel anhatte wie ein Arzt. Aber als er dann mit den beiden Jungen den Strand erreicht hatte, stellte es sich heraus, daß er jeden Morgen für die Molkerei in Hörnum frische Milch und Butter in die Hotels brachte. Fritz Treutlein hatte ihn auf offener Straße angehalten, und sein Lieferwagen wartete jetzt am Parkplatz hinter den Dünen.
    „Hoffentlich hat er keine inneren Verletzungen“, gab der Mann in dem weißen Kittel zu bedenken. „Andererseits, wer weiß, wie lange es dauert, bis ein Arzt oder ein Krankenwagen kommt. Wir müssen es riskieren.“
    Sie hoben den fremden Jungen also ganz vorsichtig vom Strand auf und trugen ihn gemeinsam zum Ufer hin. So lange der Boden noch hart war, funktionierte der Transport einigermaßen. Aber je weiter sie sich von der Brandung entfernten, um so öfter brachen sie in den immer weicher werdenden Sand ein und um so steiler wurde die Düne.
    Da sagte der fremde Junge plötzlich: „ Laßt mal, vielleicht geht es so besser.“ Er hatte ganz leise gesprochen und setzte seine Füße jetzt zaghaft in den Sand. Gleichzeitig hängte er sich mit dem einen Arm über die Schultern von Paul Nachtigall und mit dem anderen um die des Mannes mit dem weißen Kittel. Er mußte gelegentlich stehenbleiben und holte dann

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