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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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und sie hatte einen hysterischen Schrei ausgestoßen, bevor sie ohnmächtig wurde und sich im Fallen den Kopf an der Tür stieß.
    Die geplante Ehe zwischen den beiden war damit natürlich vereitelt, doch ein Skandal hätte vermieden werden können, und Miguel fand, es war allein Paridos Schuld, dass aus dem Vorfall einer wurde. Er schrieb ihm einen langen Brief, in dem er ihn dafür um Verzeihung bat, dass er seine Gastfreundschaft missbraucht und ihn unabsichtlich in Verlegenheit gebracht hatte:
    Ich kann Sie nicht darum bitten, nicht mehr an diese Ereignisse zu denken oder sie aus Ihrem Kopf zu verbannen. Ich kann Sie nur bitten, mir zu glauben, dass ich Ihnen oder Ihrer Tochter niemals Schaden zufügen wollte, und ich hoffe, der Tag wird kommen, an dem Sie mir Gelegenheit geben werden, das Ausmaß meines Respekts und meiner Reue unter Beweis zu stellen.
    Parido hatte lediglich mit ein paar schroffen Zeilen geantwortet:
    Bemühen Sie sich nicht, noch einmal Kontakt zu mir aufzunehmen. Es kümmert mich nicht, was Sie als Respekt ansehen, oder wie Sie planen, Ihre dürftige Reue in Taten umzusetzen. Sie und ich sind von nun an in allen Dingen Gegner.

    Dieser Brief bedeutete zum großen Entzücken der Klatschweiber der Vlooyenburg aber noch nicht das Ende des Konflikts. Das Mädchen, so stellte sich rasch heraus, war schwanger, und Parido bestand öffentlich darauf, dass Miguel für den Bastard, sobald geboren, sorgen solle. Da die Allgemeinheit auf Seiten Paridos war, weil er in der ganzen Angelegenheit die Hosen anbehalten hatte, stand Miguel eine äußerst unangenehme Woche bevor, in der alte Frauen hinter ihm her johlten und in seine Richtung spuckten und Kinder ihm verfaulte Eier an den Kopf warfen. Miguel akzeptierte die Beschuldigung jedoch nicht. Die Erfahrung hatte ihn einiges über fruchtbare Tage gelehrt, und er wusste, dass das Kind nicht von ihm sein konnte. Er weigerte sich zu zahlen.
    Auf Rache sinnend, beharrte Parido darauf, dass Miguel dem Ma’amad vorgeführt würde; er war damals noch nicht in den Rat gewählt worden. Der Ältestenrat war diese Vaterschaftsstreitigkeiten gewöhnt, und seine Untersuchungen ergaben, dass Parido selbst der Vater war. Öffentlich gedemütigt, zog dieser sich für einen Monat in sein Privatleben zurück, wo er darauf wartete, dass ein neuer Skandal die Nachbarschaft unterhielt. Im Laufe dieses Monats schickte er seine Tochter nach Salonika, wo sie den Sohn seiner Schwester heiraten sollte, einen Kaufmann aus bescheidenen Verhältnissen, da er glaubte, dass Antonia in einer Stadt, die wusste, dass sie Miguel Lienzo ohne Hosen gesehen hatte, nie einen Ehemann finden würde.
    Alle Welt kannte die Geschichte – dass Miguel Antonia Parido hätte heiraten sollen, dass die Verlobung geplatzt war und dass Parido Anschuldigungen erhoben hatte, die letztendlich haltlos waren. Aber es gab etwas, das die Welt nicht wusste.
    Miguel war nicht bereit gewesen, untätig herumzusitzen, während der Ma’amad über den Fall entschied, denn Parido
war ein mächtiger Mann, Miguel dagegen nur ein Emporkömmling. Deshalb hatte er seine eigenen Nachforschungen angestellt und die kleine Dirne aufgesucht. Nachdem er sie mit eindringlichen Fragen gequält hatte, räumte sie schließlich ein, sie könne den Namen des Kindsvaters nicht nennen. Sie konnte ihn nicht nennen, weil sie gar kein Kind erwartete; sie hatte gelogen, weil sie dafür entschädigt werden wollte, dass sie hinausgeworfen worden war.
    Nun hätte Miguel sie dazu überreden können, die Wahrheit zu sagen. Vielleicht wäre die Sache dann aus der Welt gewesen, vielleicht auch nicht. Stattdessen versprach Miguel dem Mädchen eine Belohnung, wenn sie die Ermittler des Ma’amad davon überzeugen konnte, dass Parido sie geschwängert hatte.
    Parido gab dem Mädchen zu guter Letzt hundert Gulden und schickte sie fort. Miguel konnte wieder ohne Furcht vor Angriffen von Großmüttern und Kindern durch die Straßen der Vlooyenburg gehen. Dennoch gab es keinen Grund zur Sorglosigkeit: Wenn Parido jemals von Miguels Täuschung erfuhr, würde er keine Gnade kennen.
     
    Vor ihnen erstreckte sich die große, luftdurchflutete Börse, die sich optisch nicht von anderen Börsen in anderen Handelszentren Europas unterschied: ein gewaltiges Rechteck, aus rotem Ziegelstein, drei massige Stockwerke hoch, mit einem Überhang an der Innenseite. Die Überdachung reichte aber nicht bis zur Mitte, und so war dieser Teil dem Sprühregen ausgesetzt, der

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