Der Kaffeehaendler - Roman
jetzt fiel. Entlang der Innenmauer und unter dem Überhang, der von dicken, prächtigen Säulen gestützt wurde, sammelten sich Hunderte von Männern in Dutzenden von Gruppen, die auf Holländisch oder Portugiesisch oder Latein oder in irgendeiner anderen europäischen oder sonstigen Sprache lautstark aufeinander einredeten, um zu kaufen und zu verkaufen, Gerüchte auszutauschen und zu spekulieren.
Jeder Teil der Börse hatte traditionell seinen eigenen gesonderten Treffpunkt. An den Wänden handelten Männer mit Edelsteinen, Immobilien, Wolltuchen, Walfischtran, Tabak. Hier konnte sich ein Kaufmann mit Händlern unterhalten, die Waren aus Ostindien, Westindien, dem Baltikum oder der Levante feilboten. In dem weniger renommierten dachlosen Zentrum trafen sich Weinhändler, Farb- und Arzneiverkäufer, Männer, die mit England Handel trieben, und am südwärtigen Ende Interessenten am Weinbrand- und Zuckermarkt.
Spanier, Deutsche und Franzosen sah Miguel regelmäßig. Weniger häufig begegnete er Türken und Ostindern. Es war schon ein Rätsel, warum diese Stadt in den letzten fünfzig Jahren zum Mittelpunkt des Welthandels aufgestiegen war, der Kaufleute aus allen bedeutenden Ländern anzog. Eigentlich hätte es gar keine Stadt sein dürfen; die Einheimischen sagten gern, Gott habe die Welt erschaffen, die Holländer dagegen Amsterdam. Auf einem Sumpf gebaut, mit einem Hafen geplagt, in den nur der geschickteste Lotse navigieren konnte (und auch das bloß mit Glück), und ohne wertvolle Produkte außer Käse und Butter, hatte Amsterdam seinen hervorragenden Rang dank der schieren Entschlossenheit seiner Bürger eingenommen.
Parido schritt eine Weile schweigend dahin, doch Miguel wurde das Gefühl nicht los, dass der Parnass Vergnügen daran fand, mit seinem Anliegen hinter dem Berg zu halten.
»Ich weiß, dass Ihre Schulden schwer auf Ihnen lasten«, begann er schließlich, »und ich weiß auch, dass Sie Weinbrandterminkontrakte erworben haben. Sie haben darauf gesetzt, dass die Preise steigen. Am Abrechnungstag in zwei Tagen sind sie aber gewiss noch so niedrig wie jetzt. Wenn ich richtig kalkuliere, werden Sie fünfzehnhundert Gulden verlieren.«
Es ging also um Weinbrand, nicht um Kaffee, dem Allmächtigen sei Dank. Doch was wusste Parido darüber – und
was kümmerte es ihn überhaupt? »Es sind eher um die tausend«, sagte er mit bemüht ruhiger Stimme. »Ich sehe, sie sind über meine Geschäfte gut unterrichtet.«
»Hier bleibt nur selten etwas geheim.«
Miguel stieß ein bellendes Lachen aus. »Und warum sollten Sie meine Geheimnisse zu kennen wünschen, Senhor?«
»Wie ich schon sagte, ich möchte, dass es zwischen uns besser läuft, und wenn Sie mir vertrauen, mir glauben, dass ich meinen Einfluss als Parnass nicht gegen Sie verwende, werden Sie sehen, dass ich zu Ihrem Vorteil handle. Was das fragliche Problem angeht, so kenne ich vielleicht einen Käufer, einen Franzosen, der Ihnen Terminkontrakte abnimmt.«
Miguels Ärger verflog. Eine glückliche Wendung, auf die er kaum zu hoffen gewagt hatte. Gerüchte aus einer verlässlichen Quelle über eine unmittelbar bevorstehende Knappheit hatten ihn dazu bewogen, die Weinbrandterminkontrakte mit einer Deckung von siebzig Prozent zu kaufen, dabei zahlte er nur dreißig Prozent des Wertes der Gesamtmenge im Voraus und verlor oder gewann entsprechend, als hätte er die volle Summe investiert. Am Abrechnungstag würde er, falls der Weinbrandpreis gestiegen war, profitieren, als ob er auf einen weitaus höheren Betrag gewettet hätte; sank der Wert der Anteile aber, wie es den Anschein hatte, würde er wesentlich mehr schulden, als er schon investiert hatte.
Ein eifriger Käufer war geradezu ein Geschenk des Himmels. Wenn er neue Schulden verhindern konnte, musste das ein Zeichen dafür sein, dass sich sein Schicksal gewendet hatte. Aber könnte er wirklich glauben, dass sein Feind ihm aus purer Herzensgüte die Lösung seines Problems präsentiert? Wo trieb er einen Käufer für diese Terminkontrakte auf, Kontrakte, die, wie alle Welt wusste, ihrem Besitzer nur Schulden einbringen würden?
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, Franzose oder
sonst wer, so verrückt sein kann, bei der gegenwärtigen Marktlage meine Weinbrandanteile zu kaufen. Der Wert von Weinbrand wird sich in den paar Tagen bis zur monatlichen Abrechnung nicht groß ändern.« Es sei denn, dachte Miguel, ein Handelskonsortium plante, den Preis zu manipulieren. Mehr als einmal
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