Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der kalte Himmel - Roman

Der kalte Himmel - Roman

Titel: Der kalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
aus sie zu Hause anrufen konnte. Während sie Paul ihre ersten Eindrücke schilderte, fiel ihr Blick auf einen Aushang. » Ordentliches Zimmer in Kliniknähe an alleinstehende Damen zu vermieten. « Marie riss den Zettel mit der Adresse ab und machte sich mit Felix auf den Weg.
    *

» Und? « , fragte Elisabeth, die ebenso wie die restlichen Familienmitglieder in der Küche gesessen hatte, als Paul enttäuscht auflegte. » Hat sie auch gesagt, wann sie sich wieder um ihre Kinder kümmert? «
    Paul schluckte und schwieg. Viel zu schnell war dieses Telefonat zu Ende gewesen. » Du, ich muss Schluss machen « , hatte sie ihn mitten im Satz unterbrochen, » die Mark ist durch. « Dabei hatte er noch so viele Fragen gehabt. Wo würden sie übernachten, wo würden Marie und Felix in dieser Riesenstadt ihr Quartier finden, mit dem wenigen Geld in der Tasche? Sie kannten doch niemanden dort.
    Pauls Blick fiel auf die Hausaufgabenhefte von Lena und Max, die trotz des frühen Abends noch immer auf dem Esstisch ausgebreitet lagen. Erst jetzt wurde ihm klar, dass seine beiden Großen darauf warteten, dass er ihre Aufgaben nachschaute, etwas, was sonst Marie übernahm. Seufzend besah er sich die Hefte, wies Lena auf einen Flüchtigkeitsfehler im Schreiben hin und Max auf einen Zahlendreher im Rechenheft.
    Als er wieder hochschaute, beobachtete er, wie seine Mutter seinem Vater einen vielsagenden Blick zuwarf. Doch wie so oft, mochte Xaver auch jetzt nichts von Elisabeths stummen Kommentaren wissen. Er blies den Pfeifenrauch besonders heftig vor sich hin und hüllte sich in den schützenden Dunst wie in einen Mantel, wie immer, wenn er sich vor seiner Frau nahezu unsichtbar machen wollte.
    *

Ratlos stand Marie am Eingang der Hausnummer 120 und besah sich erneut ihren Zettel.
    » Dann ist die Nummer 123 auf der anderen Seite « , sagte sie zu Felix und begann, mit ihrem Koffer in der einen und dem Jungen an der anderen Hand die Bleibtreustraße zu überqueren.
    Ratlos standen Mutter und Sohn nun vor der Hausnummer 14 .
    » Das gibt’s doch nicht « , rief Marie erschöpft. » Auf der einen Seite sind immer die geraden, auf der anderen Seite die ungeraden. Ich verstehe das nicht. «
    Felix lief ein paar Schritte nach vorn und blinzelte auf die andere Seite hinüber.
    » Auf der Seite werden die Zahlen größer und auf der anderen Seite werden die Zahlen kleiner « , sagte er, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt.
    Und noch ehe Marie eingreifen konnte, sprang er mitten auf die Straße, um wieder auf den anderen Gehsteig zu gelangen. Ein herbeifahrendes Auto hupte. Hastig griff Marie nach ihrem Koffer und rannte ihrem Jungen hinterher.
    » Felix « , rief sie völlig außer Atem, » jetzt wart halt mal. Du darfst nicht einfach über die Straße laufen. «
    Doch Felix lief noch ein paar Meter weiter. Dann blieb er endlich stehen und Marie mit ihm. Jetzt sah sie, wohin ihr Sohn sie geführt hatte. Sie standen vor der Hausnummer 123 .
    » Wenn ich dich nicht hätte « , flüsterte Marie. » Trotzdem « , bemühte sie sich, weiter streng zu sein, » in der Stadt muss man aufpassen mit den Autos. Hast du mich verstanden? «
    *

Das möblierte Zimmer lag im dritten Stock. Etage für Etage schleppte Marie den schweren Koffer hinauf. Sie klingelte. Eine ältere Dame mit rotgefärbtem Pagenkopf und verlebten Gesichtszügen öffnete die Wohnungstür. Mutter und Sohn wurden einer eingehenden Betrachtung unterzogen, die in der Feststellung mündete, dass sie eigentlich nur an alleinstehende Damen vermietete.
    » Aber ich bin verheiratet « , erwiderte Marie hastig. » Und das ist der Felix, mein Sohn. «
    » Verschonen Sie mich mit Ihren Geschichten « , gab die Dame unerbittlich zurück, doch als sie in Maries erschöpftes Gesicht blickte, ließ sie sich erweichen. » Na, kommen Sie rein « , meinte sie, » aber keine Herrenbesuche, haben wir uns verstanden? «
    Später, als Marie den Koffer ausgeräumt und für Felix ein kleines Beistellbett gerichtet hatte, konnte sie sich zum ersten Mal richtig in ihren neuen Räumen umsehen. Die Decken des Zimmers waren bestimmt zwei Meter dreißig hoch, die Wände mit blassgrünen Stofftapeten bezogen. Obwohl längst verblichen, strahlte diese Wandbespannung noch immer eine Eleganz aus, die Marie so noch nie gesehen hatte. Und erst die Böden! Glänzendes Eichenparkett, in feinen Stäbchen verlegt, erzählte noch immer vom städtischen Glanz vergangener Epochen, auch wenn die Spuren des

Weitere Kostenlose Bücher