Der kalte Schlaf
dauert, als es eigentlich möglich ist. Auf der Schwelle bleibe ich stehen und schaue auf die Uhr. Zehn Uhr fünfunddreißig. Ich kehre ins Wohnzimmer zurück und lege mich aufs Sofa. Schließe die Augen.
Früher bin ich ins Bett gegangen, wenn Luke schlafen ging, obwohl ich wusste, dass ich nicht würde schlafen können. Anfangs war das unsere Taktik. Wir waren beide sicher, dass es so am besten war. Jede Nacht stellten wir unsere Strategie auf den Prüfstand und einigten uns erneut darauf. Es wurde zu einem Ritual. Luke reichte mir das Buch, das gerade auf dem Nachttisch lag, und sagte: »Mach einfach alles wie sonst auch. Lies ein bisschen, dann mach das Licht aus, schließ die Augen, halt sie geschlossen und warte ab. Selbst wenn du nicht einschläfst, du liegst still und kannst dich entspannen, du kommst zur Ruhe. Und wenn du dabei einschläfst – bestens, dann ist es der richtige Ort dafür, oder?«
»Genau«, sagte ich. Meine Antworten tendierten zur Kürze. So spät am Abend bangte mir zu sehr vor dem, was die Nacht für mich parat halten würde, um meinen Teil zu einem normalen Gespräch beisteuern zu können. Luke sagte einmal zu mir, ich sähe aus, als stünde ich vor einem Erschießungskommando, nur dass ich eben im Bett lag.
Wir änderten unsere Strategie, als wir den gravierenden Denkfehler in unserem Plan bemerkten: Es gelang mir nicht, still zu liegen. Mein unruhiges Hin- und Herwälzen weckte Luke immer wieder auf. Ihm machte das nichts aus – er hätte sich umgedreht und wäre wieder in den Traum zurückgesunken, den ich unterbrochen hatte, nur dass ich nach den vielen Stunden stummen Elends verzweifelt gern Gesellschaft wollte und diese Route zurück in den Schlaf blockierte, indem ich ihn anfuhr: »Ich liege seit vier Stunden mit geschlossenen Augen hier, ich bin nicht entspannt, und, wie du vielleicht bemerkst, ich bin noch wach. Was also schlägst du vor?«
Da er Angst hatte, mich zu kränken, schlug Luke mir nicht vor, in ein anderes Zimmer umzuziehen. Ich machte den Vorschlag selbst, nachdem ich sechs Monate lang seine Nachtruhe ebenso ruiniert hatte wie meine. Die Vorbesitzer unseres Hauses hatten den Dachboden zu einem langgestreckten Gästezimmer mit Duschbad ausgebaut, und ich zog für eine Weile dort hinauf. Dann, vor drei Monaten, fand ich, dass es genug war, und zog auch aus diesem Zimmer aus. Höchste Zeit, hart gegen dich selbst zu sein, dachte ich mir: Jemand, der nicht schläft, hat auch kein Schlafzimmer verdient. Wenn du ein Schlafzimmer willst, verdien dir eins. Seitdem kampiere ich auf verschiedenen Sofas – im Wohnzimmer, in Lukes Arbeitszimmer, im Spielzimmer der Mädchen. Manchmal, wenn Luke Feuer gemacht hat, lege ich mich auf den Teppich vor die noch glimmenden Kohlen und hoffe, dass die Wärme dazu beitragen wird, die Knoten in meinem Kopf zu lösen. Manchmal habe ich mich auch auf dem Boden vor Dinahs Bett zusammengerollt, bis Nonie dem ein Ende bereitete. Ich erklärte ihr, dass ich in ihrem Zimmer nicht einmal für zehn Minuten einnicken könnte, da die ganze Nacht Licht brennt. Ihre Erwiderung ließ keinen Verhandlungsspielraum: Wenn ich vor ihrem Bett nicht schlafen könne, dann dürfe ich mich auch nicht vor Dinahs Bett legen. In beiden Zimmern oder in keinem – alles andere wäre ungerecht.
Einmal nickte ich für eine halbe Stunde in der Badewanne ein, in die ich Kissen gestopft hatte, um mit einem fürchterlich steifen Nacken aufzuwachen. Dann und wann verlasse ich das Haus und versuche, im Auto zu schlafen. Ich besitze inzwischen keine Schlafanzüge und Nachthemden mehr, vor ein paar Monaten habe ich alle weggeworfen. Luke hat versucht, es mir auszureden, aber es musste sein. Es war einfach zu deprimierend, jedes Mal, wenn ich meinen Kleiderschrank aufmachte, diesen Stapel säuberlich gefalteter, pastellfarbener Nachtwäsche zu sehen.
Ich setze mich auf und öffne die Augen. Meine Lider schmerzen; ich muss sie zu stark zusammengepresst haben.
Tu irgendwas Nützliches. Du musst eine ganze Nacht durchstehen – wieder einmal. Bügle ein bisschen. Sieh die Hausaufgabenhefte der Mädchen durch.
Jo hat mir einmal vorgeschlagen, das Beste aus dem zu machen, was sie meine »nächtliche Extrazeit« nennt, indem ich sie gewinnbringend nutze: etwa eine Sprache lerne oder mit dem Malen anfange. Ich tat so, als hielte ich das für einen großartigen Vorschlag, aber als sie weg war, weinte ich eine ganze Stunde lang.
Tu irgendwas. Öffne die Haustür und fang an
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