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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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Fingerabdrücken und halb abgelösten Stickern bedeckt war. Da Olivia am Telefon kein Wort über die Wahl des Lokals verloren hatte, wusste Charlie, dass ihre Schwester verstanden hatte: Es war Olivias Schuld, dass sie auf die Spinat-Spargel-Crêpes verzichten mussten, die es in der Brown Cow gab, auf die Kasserolle mit roten Linsen und Chorizo, auf die Elsässer Würste.
    Auch Alk gab es im Web & Grub nicht. Ein Pint starkes Lager hätte Charlie durch das Treffen mit ihrer Schwester hindurchgeholfen, das erste seit Monaten. Reichte die Zeit noch, um schnell zum Getränkeladen nebenan zu gehen, eine Dose Bier zu besorgen und zu leeren, bevor Liv kam?
    Zu spät, da war sie schon. Als Olivia auf Charlie zustrebte, winkte sie heftig und unter Tränen, als stünde sie auf dem Deck eines sich rasch entfernenden Ozeandampfers. Ihre freudige Miene führte dazu, dass sich etwas in Charlie verhärtete. An Livs Stelle, wenn die Rollen vertauscht wären, hätte sie ihre Vergebung als Beleidigung empfunden, empörender als die monatelange Funkstille.
    Wer zum Teufel bist du, dass du dir einbildest, mir vergeben zu können, obwohl ich überhaupt nichts verkehrt gemacht habe?
    Wie kommt es, dass ich immer noch so wütend auf sie bin, fragte Charlie sich, obwohl die Stimme in meinem Kopf eindeutig auf ihrer Seite ist? Ganz bewusst hatte sie am Telefon nichts von Vergebung gesagt. Sie hatte nur gefragt, ob sie sich mal treffen könnten.
    Sag ihr nicht, dass sie abgenommen hat und phantastisch aussieht. Sie wird wissen, dass du weißt, woher das kommt. Ebenso gut könntest du CHRIS GIBBS in Großbuchstaben auf den Tisch zwischen euch schreiben.
    Liv setzte sich und drückte ihre seltsame Handtasche aus Kuhhaut gegen die Brust wie eine Rüstung. Die steifen Henkel verdeckten den Blick auf ihr Gesicht. Die kurvige Form erinnerte an eine Brücke: Brücken bauen, Brücken hinter sich abbrechen.
    »Was für ein merkwürdiges Gefühl. Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen. Hast du das nicht auch gedacht?«, sprudelte Liv los. »Nein, natürlich nicht. Du wusstest ja, dass du dich jederzeit bei mir melden konntest. Gott, ich zittere ja richtig! Kommt mir aus irgendwelchen Gründen vor wie ein heimliches Treffen. Muss an der wenig appetitlichen Umgebung liegen. Nicht, dass ich mich beschweren will«, fügte sie rasch hinzu und hob beide Hände, als würde sie sich ergeben, weil Charlie mit einer Pistole auf ihr Herz zielte.
    Sag nicht: »Wenn du über unappetitliche Dinge reden willst …«
    »Ich hätte mich überall mit dir getroffen. Sogar in einem Caravan.« Mit großen Augen starrte sie Charlie an und hielt die Griffe ihrer Tasche mit beiden Händen umklammert. Sie erschauderte.
    Charlie nickte, um zu zeigen, dass sie die Botschaft verstanden hatte: Liv war verzweifelt bestrebt, Frieden zu schließen. Sie hatte Charlie einmal erzählt, sie hasse Caravans so sehr, dass allein das Wort sie krank mache, sie versuche zu vermeiden, es zu hören oder auszusprechen. Anfangs hatte Charlie das für Affektiertheit gehalten – schließlich hatte sie als Kind ebenso wie Liv jedes Jahr im Wohnwagen ihrer Eltern Urlaub gemacht, ohne irgendwelche Schäden davongetragen zu haben, aber nachdem ihre Schwester über Jahrzehnte beharrlich dabei geblieben war, war Charlie nachdenklich geworden. Es war eine höchst bizarre Phobie. Was Ginny Saxon wohl dazu einfallen würde?
    »Willst du was essen?«, fragte sie Liv.
    »Du?«
    »Ich glaube, ich habe keinen Hunger.«
    »Ich auch nicht. Also Lunch ohne Essen.« Liv kicherte. »Wie bei Dallas . Weißt du noch, wie sie sich dort immer zu köstlichen Riesenmahlzeiten niedergelassen haben, nur um sich dann zu verkrachen und davonzustürmen?«
    Sag ihr nicht, dass sie es viel zu offensichtlich macht, dieses schamlose Heraufbeschwören glücklicher Kindheitserinnerungen. Schön, wir haben beide Dallas geliebt . Na und?
    »Ich meinte natürlich nicht, dass wir jetzt einen Riesenkrach anfangen werden. Das werden wir natürlich nicht.« Liv wirkte bestürzt. »Ich bin so froh, dich zu sehen, ich würde mich nicht mal mit dir zerstreiten, wenn du …«
    Wenn ich dich auffordern würde zu schwören, dass du zum letzten Mal Körperflüssigkeiten mit Chris Gibbs ausgetauscht hast?
    »Mir fällt nichts ein.« Liv zuckte die Achseln. »Mein Kopf ist ganz leer. Ich habe zu große Angst vor dir. Du übernimmst besser das Reden.« Wieder hob sie die Hände. »Damit will ich nicht sagen, dass du Leuten Angst machst. Mist,

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