Der kalte Schlaf

lächelnd zwischen zwei Stadträten. Die Bildunterschrift lautete: »Stadtrat begrüßt Einführung einer Risikozone in East Rawndesley: Neue Lokale mit Alkoholausschank werden nur noch eingeschränkt zugelassen«.
    »Sie wissen noch so viel von dem, was sie gesagt hat. Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht an ihr Gesicht erinnern?«
    »Nein, ich erinnere mich nicht«, sagte Ormston. »Tut mir leid, aber Sie würden doch nicht wollen, dass ich Ihnen etwas vormache, oder? Dieses Gesicht erkenne ich überhaupt nicht.«

 
    Also. Die Antwort ist »der Schlüssel«, und die Antwort ist der Schlüssel. Ich wiederhole mich nicht. Ich sage, dass die Antwort »der Schlüssel« der Schlüssel ist. Wir können jede neue Antwort als Schlüssel zu einer verschlossenen Tür betrachten, die uns den Weg versperrt. Manchmal stellen wir fest, dass wir vor einer weiteren verschlossenen Tür stehen, wenn wir eine verschlossene Tür geöffnet haben, also müssen wir nach dem nächsten Schlüssel suchen. Oft stoßen wir auf eine verschlossene Tür nach der anderen. Das ist gleichzeitig ein gutes und ein schlechtes Zeichen: Unsere Reise wird wahrscheinlich erheblich anstrengender, aber wenn es uns gelingt, die Hindernisse zu überwinden, die uns den Weg versperren, sollte unser Lohn beträchtlich sein. Denn eines ist klar, je kostbarer ein Gegenstand, desto besser wird er geschützt.
    Warum hat Amber Little Orchard auf den Kopf gestellt? Weil sie nach dem Schlüssel zu der verschlossenen Tür suchte, wie sie uns ja soeben erzählt hat. Sie denkt , sie hat uns auch erzählt, warum sie nach diesem Schlüssel gesucht hat, was passierte, als sie ihn fand, und was das beweist. Für den Fall, dass ihre lückenhafte Geschichte uns als Beweis für die Schlüsse, die sie daraus gezogen hat, nicht reichen würde, hat sie sie mit mehreren nachgeordneten Nebengeschichten untermauert, alle gleichermaßen lückenhaft und auf ein Minimum reduziert. Auf irgendeiner Ebene weiß sie natürlich, dass ihr Entschluss, so wenig Worte wie möglich zu machen, für sie selbst ebenso wenig hilfreich ist wie für uns.
    Aber was genau sollen ihre Geschichten beweisen? Dass Jo ein schlechter Mensch ist? Amber hat den Verdacht, dass die Summe ihrer Geschichten nicht einmal annähernd ausreicht, um zu widerlegen, dass Jo ein durch und durch guter Mensch ist. Amber selbst hat mich heute Vormittag im Interesse der Fairness mehr als einmal daran erinnert: Jo ist eine hingebungsvolle Mutter, ihrem Mann Neil eine liebende Frau und eine wunderbare Tochter und Schwester. Ihre Mutter Hilary und ihre vollständig abhängige Schwester Kirsty verbringen fast jeden Tag in Jos Haus. Jo kocht den Großteil ihrer Mahlzeiten, gibt ihnen sogar noch etwas für zu Hause mit, weil sie weiß, dass sie nur dann ordentlich essen werden. Hilary ist alleinerziehend und zermürbt nach all den Jahren, in denen sie sich vierundzwanzig Stunden am Tag um ein schwerstbehindertes Kind kümmern musste. Sie würde es nicht schaffen, wenn Jo sie nicht bekochen und ihr ständig gut zureden würde. Jos Bruder Ritchie hat nie einen Job gehabt. Manche Leute würden ihn einen Faulenzer nennen, aber Jo verurteilt ihn nicht und erinnert Hilary regelmäßig an seine guten Seiten. Er sei intelligent, kreativ, freundlich und loyal, und eines Tages, wenn die Menschen, die ihm nahestehen, fest an ihn glaubten, würde er sicher einen Beruf finden, der ihn erfüllt. Jo gibt Ritchie Geld, wann immer er welches braucht, und Neil erhebt keine Einwände. Da er einer der Hauptnutznießer ihrer Die-Familie geht-über-alles-Politik ist, wird er sich hüten, sie in Frage zu stellen.
    Jo ist eine ebenso ergebene Schwiegertochter wie Tochter. Als Neils Mutter Pam an Leberkrebs starb, erkannte Jo sofort, dass ihr Schwiegervater Quentin nicht allein zurechtkommen würde, und quartierte ihn bei sich ein. Auch Sabina, die Nanny von William und Barney, gehört zur Familie. Sie ist ebenfalls ständig im Haus, wird bekocht und umsorgt. Offenbar macht sie keinen Unterschied zwischen ihrer Arbeitszeit und dem Rest ihres Lebens und weicht Jo nur von der Seite, um nach Hause zu gehen und zu schlafen.
    Gehört auch Amber zu dieser großen, herzlichen, um Jo zentrierten Familie? Sollte sie eigentlich. Sie ist mit Neils Bruder Luke verheiratet. Und doch spricht sie als ein Nicht-Nutznießer, als eine Außenseiterin. Warum? Wegen der Geschichten, die sie uns erzählt hat, die beweisen … ja, was?
    Ich werde diese Geschichten durchgehen, ein