Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
dafür sein würde. Sie verbarg jedoch ihre Verwunderung und nickte nur.
Sofort schlug die junge Fackelträgerin zu. Die Widerhaken ihrer Geißeln gruben sich in Zervanas neuen Umhang, rissen Löcher hinein und schlitzten das Leder auf. Zervana erlaubte ihr drei Schläge, dann sprang sie nach vorne und griff der Erinya in die Haare. Mit einer raschen Bewegung riss sie ihren Kopf nach hinten – dann rammte sie ihr ihre Fackel in die Kehle. Zischend fraßen sich die Flammen in das Fleisch, Blut quoll aus der Wunde hervor. Kurz darauf brach die Erinya tot zusammen. Niemand, der die Usurpatorin angriff, überlebte. Doch dieses Schicksal hatte sie wohl bewusst auf sich genommen, um ihre Loyalität zu beweisen.
Zervana war zufrieden. Mehr Respekt hätte sie nicht erwarten können. Ihre Herrschaft über die Erinyen war stärker als je zuvor, und endlich konnte ihr Eroberungszug weitergehen.
»Beinahe zwölftausend Fackeln sind bereit, Usurpatorin«, berichtete ihr Randora. Die Sonne stand bereits im Zenit.
Zervana nickte grimmig. Ihr Heer war nicht einmal mehr halb so groß wie am Anfang. Dennoch war dies mehr als genug, um die Halblinge auszulöschen. Hatten sich die Erinyen erst einmal an der Gräsernen Furt niedergelassen und Westendtal gesichert, so konnte sie noch immer über Verstärkung nachdenken. Sie würde die Nordlande nicht aufgeben. Vorher jedoch wollte Zervana die Halblinge vernichten, denn die hatten ihr einen herben Schlag versetzt. Es würde sie nicht einmal wundern, wenn es diese Geschwister waren, die Hanafehl oder Yorak Flausen in die Köpfe gesetzt hatten. Sie wollte diese beiden, wollte sie tot sehen, und – sie wollte das Drachenei!
Entschlossen hob sie nun die Hand und gab das Signal zum Aufbruch. Die Erinyen-Armee marschierte weiter, direkt auf Westendtal zu.
40. DIE LETZTE BARRIKADE
»Als dieser Yorak mit seiner Peitsche ausholte, dachte ich, das war’s!«, keuchte Enna und ließ sich ins weiche Gras plumpsen.
Jorim setzte sich neben sie. »Ich auch. Wer hätte schon erwartet, dass ausgerechnet er sich gegen sein eigenes Volk wenden und zwei Erinyen töten würde?«
»Ich glaube, er hat dies schon lange geplant«, meinte Enna.
»Dieser Yorak ist irgendwie anders als die anderen Erinyen. Er ist nicht so von blindem Hass erfüllt und scheint mir ein wenig besonnener zu sein.«
»Eigentlich ist es mir egal, weshalb er gegen Zervana aufbegehrt hat«, erklärte Jorim. »Hauptsache ist, das s er uns vor diesem monströsen Ghul gerettet hat!«
Enna wusste, dass es wenig Sinn machte, über Yoraks Beweggründe nachzudenken, denn wirklich erfahren würden sie diese wohl nie. Am Ende hatte Jorim recht: Alles was zählte, war, dass sie am Leben waren.
»Was tust du da?«, fragte sie, als Jorim plötzlich in ihren Umhang langte. »Dem Ei geht es gut, keine Sorge!«
»Ich wollte eigentlich nur nachsehen, ob du noch etwas von Alvendorahs Zauber übrig hast. Ich musste ja schließlich meinen Umhang als Leichentuch für den Kopf dieses räudigen Ghuls opfern.«
»Ach«, wunderte sich Enna und klopfte ihrem Bruder auf die Finger. »Und den Proviant hast du Yorak gleich mitgegeben?«
»Natürlich nicht!«, entgegnete er entrüstet. »Den hatten wir schon vorher aufgegessen.«
»Du meinst, du hast ihn aufgegessen!« Enna zog die Stirn kraus, kramte dann in ihrer Tasche herum und holte etwas von dem köstlichen Essen hervor. Sie brach es entzwei und reichte Jorim eine Hälfte. »Hier, das ist das letzte Stück! Kaue es gut durch, bevor du es herunterschluckst.«
Jorim ließ sich nicht zweimal bitten, griff beherzt zu, und prompt hellten sich seine Gesichtszüge auf.
Auch Enna aß mit großem Appetit. Nachdem Yorak am Abend zuvor die beiden Erinyen getötet hatte, waren sie und Jorim ein gutes Stück flussaufwärts gelaufen und hatten unter tief hängenden Weidenästen die restliche Nacht verbracht. Vor Sonnenaufgang waren sie rasch weitergewandert, da es – so Yoraks Worte – im Morgengrauen zu einem Chaos in der Erinyen-Armee kommen würde. Enna konnte es noch immer kaum glauben, aber Yoraks Plan war es, mit Hanafehls Kopf die Ghule gegen die Erinyen aufzuwiegeln. Daher hatte ihnen der mysteriöse Erinya geraten, sich von dem Heer zu entfernen und auf umherstreunende Ghule zu achten. Das Ei hatte er ihnen gelassen; wie er behauptet hatte, war es für ihn weder von Interesse noch von Wert. Allerdings hatte er sie ausdrücklich davor gewarnt, es den Erinyen in die Hände fallen zu lassen.
Und
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