Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
Herrschaft gesichert war, würde sie sich der Fleischeslust mit ihm hingeben und Erben ihrer Dynastie zeugen. Aber noch galt es, sich zu gedulden, denn in den sechs Mondzyklen ihrer Tragezeit wäre sie zu angreifbar, und es gab viele, die danach strebten, Herrscherin über die Erinyen zu werden.
»Herrin.« Yorak verneigte sich tief, dann trat er einen Schritt zurück und blickte sie abwartend an.
Nur mühsam konnte sich Zervana von seinem begehrenswerten Äußeren und ihren eigenen lüsternen Gedanken lösen. Sie reckte stolz das Kinn. »Welche Neuigkeiten gibt es?«
»Die letzten Menschen und Elfen fliehen an den Nordrand unserer Länder. Sicher setzen auch sie in die Nordlande über«, berichtete Yorak mit dunkler Stimme, deutlich weniger zischend und leise, als es für reinrassige Erinyen üblich war.
»Wie ist das möglich? Du sagtest vor einiger Zeit, die Himmelsklippen seien unüberwindlich!«
»Wir sahen Schiffe, die von den Klippen aus nach Norden segelten, konnten jedoch auch nach tagelanger Suche keinen Weg hinab ans Meer finden. Wir gehen davon aus, dass es sich um geheime, verborgene Pfade der Elfen handelt.«
Wütend runzelte Zervana die Stirn. Wäre es nicht Yorak, der ihr versicherte, es gäbe keinen Weg hinab, sie hätte den Boten hinrichten und einen anderen suchen lassen, bis er fündig geworden wäre. Aber Yorak war ein meisterhafter Fährtenleser, dem nichts entging.
»Sind die Späher zurückgekehrt?«, fragte sie scharf.
»Nein, Herrin.«
Aufgebracht fuhr Zervana herum, wobei ihr langer Umhang umherwirbelte. Ein böses Lächeln überzog ihr Gesicht, als sie daran dachte, dass in früheren Zeiten die Legende umgegangen war, Erinyen trügen Flügel am Rücken. Aber dies war lediglich der Fantasie der einfältigen, schwachen Völker geschuldet.
Langsam stieg sie die Stufen zu dem Thron des ehemaligen Menschenkönigs hinauf, dessen steinerne Armlehnen noch immer mit Blutspritzern verziert waren. Sie ließ sich nieder und schlug ihre langen, schlanken Beine übereinander, die in engen Lederhosen und mit Metallspitzen versehenen Stiefeln steckten. Angewidert bemerkte sie dort einige Schmutzreste auf dem glatten Schlangenleder, dann begann sie, unbehaglich auf dem Thron herumzurutschen. Ihre spitzen Gesäßknochen schmerzten schon nach wenigen Atemzügen.
»Welch unnützes, unbequemes Stück Stein«, zischte sie und ließ ihre Geißel mit den metallenen Widerhaken haarscharf neben einer unachtsamen Erinyen-Dienerin niederknallen. »Häute einige Menschen und kleide diesen harten Stuhl aus!«
»Usurpatorin«, wagte die verhüllte Erinya einzuwenden, »menschliches Leder ist dünn und rissig. Möchtet Ihr nicht besser das Fell eines Schafes verwenden?«
Einer Schlange gleich schnellte Zervana nach vorne, schlug die langen Enden ihrer Geißel um den Hals der unglücklichen Dienerin, und kurz darauf quollen auch schon deren Augen aus den Höhlen und sie stürzte tot zu Boden.
Ohne eine Miene zu verziehen, eilten zwei weitere Dienerinnen herbei, schleiften die Tote fort und knieten sich dann vor Zervana.
»Wenn menschliches Leder dünn ist, so müsst ihr nur mehrere Schichten vernähen.« Sie beugte sich nach vorn und fixierte die Bediensteten. »Die Weibchen der Menschen sind meinen Zwecken wenig dienlich und somit entbehrlich. Ihr wisst also, was zu tun ist.«
Die beiden nickten einstimmig. »Sehr wohl, Usurpatorin, wir werden sogleich die Sklavenunterkünfte aufsuchen.«
Mit einer beiläufigen Handbewegung wollte Zervana die Dienerinnen entlassen, winkte dann aber eine der beiden zurück. »Meine Stiefel sind schmutzig.«
Zervana streckte die Beine aus. Kurz loderte so etwas wie Trotz in den Augen der Erinya auf, doch dann bückte sie sich und begann damit, mit ihrem eigenen Umhang die schwarzen Schlangenlederstiefel ihrer Herrin zu reinigen.
»Weshalb ist der Herrscher der Ghule noch nicht eingetroffen?«, fuhr Zervana Yorak an.
Eine große Erinya kam mit einem Kelch Wein zu ihr und reichte ihr diesen. »Bereits mehrfach habe ich Boten nach Barantor entsandt. Am heutigen Tage hätte er eigentlich zum Höchststand der Sonne hier eintreffen sollen!«
Yorak hob seine knochigen Schultern. »Allerdings meiden Ghule das Tageslicht. Wahrscheinlich reisen sie nur nachts.«
Widerwärtiges, leichenfressendes Gewürm, dachte Zervana. Und vermutlich würden ihr viele Erinyen da zustimmen. Sie wusste, dass ihre Allianz mit den Ghulen auf wenig Begeisterung stieß. Doch auch wenn das Heer der
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