Der Kampf um die Sieben Inseln
sein Gewehr geschultert und blickte pflichtgemäß vor allem zur Landseite.
Der Mann auf dem Turm hingegen, etwas älter und der Uniform nach Unteroffizier desselben Regimentes, richtete sein Teleskop immer wieder seewärts, von Zeit zu Zeit aber auch auf die Landzunge, die von Süden die Bucht von Cattaro begrenzte und die ein ähnliches Blockhaus trug.
Die lässig bequeme Haltung des Unteroffiziers änderte sich plötzlich. Sein Körper straffte sich, und er fixierte mit seinem Teleskop einen Punkt auf See. »Verdammte Sonne, blendet so, daß man kaum etwas sehen kann«, fluchte er vor sich hin. Dann aber erkannte er im flirrenden Funkeln der sonnenbestrahlten Wellen drei feste, dunkle Körper.
Dem Posten auf der Galerie war die Anspannung des anderen nicht entgangen. »Gibt es was zu sehen, Herr Korporal?« fragte er im singenden Tonfall, den die Ungarn an der Grenze zu Österreich sprechen.
»Sei er nicht so neugierig«, beschied ihn der Unteroffizier barsch. »Wenn er etwas wissen muß, wird man es ihm sagen.« Und er blickte wieder scharf zu den drei Körpern hin. Das waren keine Fischerboote, da war er jetzt ganz sicher. Das erste mußte sogar ein großes Schiff sein. Er erkannte zwei oder drei Masten und breite Segel.
Er stieg die Turmtreppe hinab und rief in die Öffnung einer Falltür zum Blockhaus: »Herr Leutnant, es nähern sich große Schiffe von der See.«
Nach einiger Zeit kletterte ein junger Mann aus der Klapptür, setzte sich seine Mütze verwegen auf den Kopf und zwirbelte seinen Schnurrbart. »Was wird da schon kommen, Hermann? Ein alter Transporter mit verschimmeltem Proviant, und wenn wir Glück haben, ein Wiener Journal, das zwei Monate alt ist.« Er zog sein eigenes Teleskop hervor, ließ sich vom Unteroffizier die Richtung zeigen und spähte nun selbst hinaus.
»Bei meiner Seel'!« rief er dann erstaunt. »Das ist kein alter Transporter. Das ist eine kleine Flotte. Ein Dreimaster, ein Zweimaster und ein kleineres Schiff. Wer hat denn hier solche Schiffe? Die Russen? Die Franzosen? Zieht die Signalflagge auf: ›Unbekannte Schiffe in Sicht!‹ und sattelt mein Pferd. Ich reite zum Hauptmann, und ihr besetzt die Kanone. Hast du verstanden, Hermann?«
»Akkurat, Herr Leutnant. Pferd satteln, Kanone bemannen.« Der Unteroffizier murmelte unhörbar vor sich hin: »Was soll der kleine Vierpfünder, wenn wirklich eine Flotte kommt?«
Nach einer knappen halben Stunde kam der Leutnant zurück, begleitet vom Hauptmann und zwei Meldern. Der Hauptmann keuchte schnell die Stiege zum Turm hinauf und studierte die Schiffe, die nun recht gut zu sehen waren. »Das große ist ein Linienschiff, das zweite eine Brigg, und das dritte sieht wie eines dieser Lastschiffe aus, die sie auch bei Triest haben. Aber ich kann die Flaggen nicht erkennen. Auf jeden Fall soll ein Melder los. Meldung an die Kommandantur in Cattaro, daß drei Kriegsschiffe die Bucht anlaufen. Die werden dann selbst die Augen offenhalten.«
Eine weitere halbe Stunde später starrten die beiden Offiziere etwas ratlos auf das Buch mit den Flaggen und Signalen, das sie sich hatten geben lassen. »Das sind Engländer, kein Zweifel. Was wollen die denn hier?«
»Aber wir sind doch verbündet, nicht wahr, Herr Hauptmann?«
»Natürlich! Wenn Sie sich mehr um Ihre Aufgaben und weniger um die Weiber kümmern würden, brauchten Sie nicht so deppert zu fragen.«
»Aber Herr Hauptmann, hier gibt es doch keine Weiber.«
»Nun halten Sie mich nicht für senil. Ich weiß schon, wie oft sie stolz in Castelnuovo einreiten und so schlapp wieder herauskommen, daß Sie sich kaum auf dem Gaul halten können. Lassen Sie Ihre Leute an der Flagge antreten. Wir dippen die Flagge zum Gruß und salutieren.«
»Sollen wir Salut schießen, Herr Hauptmann?«
»Um Gotteswillen. Schauens doch nur, was der für Kanonen hat. Die pusten uns um. Das sollen die auf dem Fort in Cattaro erledigen.«
Der Melder scheuchte die Kommandantur in Cattaro auf. Ein Bote lief zum General. Ein anderer suchte den Oberst auf dem Exerzierplatz, und der Schreiber informierte seine Freunde. Bald summte die kleine Stadt von Gerüchten. Es war ein buntes Völkergemisch, das hier am südlichsten Stützpunkt der Donaumonarchie versammelt war.
Die Einwohner waren Montenegriner, Albaner, Kroaten und Serben, und nun brachten die neuen Herren Österreicher, Ungarn, Slowaken und Tschechen ins Land, wenn auch in geringer Zahl. Im Hafen lag eine kleine Kanonenschaluppe, die den
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