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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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füllte, beobachtete sie aus der Ferne, wie
er gierig seine Suppe löffelte und dabei immer wieder mit dankbar leuchtenden
Augen zu ihr herüberschaute. Selten hatte sie sich so nützlich gefühlt – fast
war sie glücklich.
    Â»Bist du vielleicht in Hoffnung?«, fragte Anna.
    Â»Wie kommst du denn darauf?«
    Â»Na, so wie du dich um die Kinder kümmerst. Das gibt’s oft bei
schwangeren Frauen.«
    Â»Dann weißt du mehr als ich.«
    Chiara schüttelte mit einem verlegenen Lachen den Kopf. Sollte sie
Anna sagen, dass ihre Regel seit Wochen überfällig war? Wenn es stimmte, was
sie von anderen Frauen wusste, müsste sie eigentlich schwanger sein. Aber sie
traute sich nicht, sich zu freuen – ihr war weder übel, noch schmerzten ihre
Brüste. Außerdem war es nicht das erste Mal, dass ihre Tage ausblieben und sie
glaubte, Gott habe ihr Gebet erhört und sie ein Kind von ihrem Mann empfangen.
Doch jedes Mal hatte wieder irgendwann das Monatsblut ihr Unterkleid befleckt
und die Enttäuschung war umso schlimmer gewesen, je größer ihre Hoffnung
gewesen war. Nein, sie wollte erst darüber reden und sich freuen, wenn sie
wirklich sicher war.
    Â»Hast du vielleicht selber ein Geheimnis, das du mir verraten
willst?«, fragte sie, als sie Annas schiefes Grinsen sah. »Dann heraus damit!«
    Â»Was für ein Geheimnis?« Anna versuchte, ein möglichst
gleichgültiges Gesicht zu ziehen. Aber sie wurde nur noch röter, und das
Grinsen, das um ihre Lippen zuckte, reichte plötzlich von einem Ohrläppchen zum
anderen. »Ich habe einen Mann kennen gelernt«, sagte sie. »Er arbeitet in der
Münze des Vatikans.«
    Â»Ein Römer?«
    Â»Der Bruder einer Schwägerin. Er war auf Francescas Beerdigung. Du
müsstest ihn eigentlich gesehen haben.«
    Chiara erinnerte sich dunkel an einen kräftigen Mann mit eckigem
Gesicht und Stoppelbart.
    Â»Und«, fragte sie, »bist du in ihn verliebt?«
    Bevor Anna antworten konnte, kam ein Reiter in den Hof galoppiert.
Er trieb sein Pferd so rücksichtslos in die Menge, dass die Leute links und
rechts zur Seite springen mussten, um nicht unter die Hufe zu kommen.
    Â»Ein Attentat im Petersdom! Ein Attentat auf den Papst!«
    Chiara ließ die Schöpfkelle sinken und starrte den Reiter an, genauso
wie Anna und die Leute in der Schlange, die auf ihre Suppe warteten. Auf einmal
begann sie so sehr zu zittern, dass sie die Kelle aus der Hand legen musste.
    Â»Hat … der Papst überlebt?«, fragte sie.
    Â»Das konnte in Rom niemand sagen«, erwiderte der Reiter. »Es heißt
nur, es hat einen Toten gegeben.«
    2
    Ja, es hatte einen Toten im Petersdom gegeben. Soldaten der
päpstlichen Armee hatten die Leiche nach Trastevere gebracht, ins Stadthaus der
Tuskulaner, das Alberico vor den Toren Roms, jenseits des Tibers, errichtet
hatte, um seine Familie vor Angriffen feindlicher Banden zu schützen, wenn sie
die Sicherheit ihrer Burg in den Bergen verließen und sich in die Stadt wagten.
In der Eingangshalle des Hauses lag nun die Leiche aufgebahrt. Doch der Tote,
an dessen Bahre Ermilina saß, war nicht Teofilo, ihr päpstlicher Sohn, sondern
ihr vor Jahren angetrauter Ehemann – Alberico selbst.
    Â»Wer hat das getan?«, fragte sie Gregorio, der mit ihr die Totenwache
hielt.
    Statt ihr zu antworten, nagte ihr Erstgeborener an den Fingernägeln
und blickte mit leeren Augen auf die Leiche seines Vaters.
    Â»Aber du musst doch gesehen haben, wie es
passiert ist!«
    Â»Warum zum Teufel muss ich das?«, brauste
er auf. »Ihr wart doch auch dabei! Genauso wie ich!«
    Â»Ich konnte nichts sehen. Es waren so viele Menschen um euch herum!
Aber du – du warst bei ihm, als es geschah! Direkt an seiner Seite!«
    Â»Ach was! Einen Scheißdreck war ich!«
    Â»Warum kannst du dich nicht erinnern? Ich habe ganz genau gesehen,
wie du und dein Vater …«
    Â»Was habt Ihr gesehen?« Gregorio sprang auf, sein Gesicht war eine
angstverzerrte Fratze. »Ihr habt eben doch gesagt, Ihr hättet gar nichts
gesehen. Wie könnt Ihr jetzt plötzlich behaupten, Ihr hättet …«
    Ohne den Satz zu vollenden, fing er an, in der Halle auf und ab zu
marschieren und betete dabei mit leiser Stimme ein Vaterunser. Seit dem
Aufstand in der Basilika war ein halber Tag vergangen, und seitdem hatte
Ermilina immer wieder ihren Sohn gefragt, wie

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