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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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waren und jeder den Atem des anderen spürte, als ihre Verzweiflung der Erleichterung wich, da blickte Howard der Geliebten tief in die Augen, als wollte er ihr Innerstes ergründen; aber weil dies mißlang und weil er seiner Sache nicht sicher war, stellte er ihr in beinahe rührender Schüchternheit die Frage: »Miss Jones, werden Sie mich noch genauso lieben, wenn ich in Didlington Hall wohne, zehn Meilen von Ihnen entfernt?«
    »Mein dummer, großer Junge«, erwiderte Sarah und küßte ihn auf die Stirn, »wenn unsere Liebe an der Entfernung von zehn Meilen zerbricht, dann war es keine Liebe, sondern nur ein Strohfeuer. Vielleicht sind diese zehn Meilen gerade die rechte Bewährungsprobe.«
    Carter wollte ungestüm antworten, aber Sarah preßte die Finger ihrer Rechten auf seinen Mund, und so blieb für ihn nur der Gedanke, daß er für Sarah nach Schottland, ja nach Irland reisen würde, nur um ihr nahe zu sein.
     
     
    Bereits am folgenden Tag machte sich Howard Carter auf den Weg nach Didlington Hall, um Lord Amherst von seinem Entschluß zu unterrichten. Der zeigte sich erfreut und überrascht von Howards Entscheidung, waren ihm doch seine Bedenken nicht entgangen. Lord Amherst schickte sogar einen Wagen nach Swaffham, um die notwendigen Dinge des jungen Künstlers wie Malutensilien, Bücher und Kleidung nach Didlington Hall zu transportieren.
    Howard bezog ein Zimmer im Hauptgebäude des Landsitzes unter dem Dach, neben dem des Butlers und Kutschers Albert, was Carters Rang über den der Dienstboten heraushob, die in einem Nebengebäude über den Ställen nächtigten. Was Albert betraf, so war sein Verhältnis zu dem aufgeblasenen Großmaul von vorneherein gespannt. Mehr als der bei dem Unfall erlittene Schmerz ging Howard die Tatsache nahe, daß der Alte ihm den Haupteingang von Didlington Hall verweigert hatte. Sobald sich die Gelegenheit bot, wollte er ihm dies heimzahlen.
    In Alicia, der jüngsten Tochter von Lord William und Lady Margaret, hatte Howard vom ersten Tag an eine Verbündete. Obwohl schon achtzehn, hatte sie das Alter, in dem Mädchen hübsch zu werden beginnen, noch vor sich, und sie war sich dessen auch bewußt. Jedenfalls gab es keine andere Erklärung für ihr burschikoses Verhalten, das bisweilen eher dem rauhen Benehmen eines Stallburschen glich als der vornehmen Zurückhaltung einer jungen Dame von Stand.
    Trotzdem mangelte es Alicia nicht an jungen Verehrern, die ihre Nähe suchten; doch war das kleine rothaarige Mädchen nicht so dumm zu glauben, daß dies allein um ihretwillen geschah. So empfand sie es eher als wohltuend, daß der junge Künstler aus Swaffham ihr keine schönen Augen machte, ja daß es eher ihr zukam, seine Gunst zu erringen.
    Die ungewohnte Arbeit verlangte von Carter große Anstrengung, und er fand kaum Zeit, an Sarah Jones zu denken. Sogar Alicias Angebot, ihm alle Räume von Didlington Hall zu zeigen, lehnte er ab und bat um Aufschub.
    Zu seinen ersten Aufgaben gehörte es, zwei Tontafeln mit Hieroglyphenzeichen in verkleinerter Form auf Papier zu übertragen. Keine leichte Aufgabe für jemanden, dem die Orthographie des Wortes schon Schwierigkeiten bereitete – ganz zu schweigen von der Bedeutung der fremdartigen Schriftzeichen und Symbole. Die erschienen ihm so rätselhaft wie die Steinkreise von Stonehenge.
    In dem großen Arbeitszimmer Seiner Lordschaft, wo Carter seiner Arbeit nachging, herrschte, trotz der Gluthitze, die über dem Breckland lag, angenehme Kühle, und so bereitete die Arbeit Howard Freude, wenngleich er unsicher war, ob er seinen Auftraggeber zufriedenstellen würde. Von Alicia hatte er erfahren, daß ihr Vater im Jahr zuvor einen Zeichner vom British Museum in London angeworben, nach einer Woche jedoch wieder entlassen hatte, weil er seinen Anforderungen nicht entsprochen habe.
    Unterbrochen nur von einem kurzen Lunch, den er mit dem Hauspersonal im Untergeschoß des Hauses einnahm, wobei er von seiten der Dienerschaft deutliches Mißtrauen verspürte, verbrachte Howard den ganzen Tag allein mit seiner Arbeit. Gegen fünf betrat Lord Amherst das Kabinett, um sich nach dem Fortgang der Arbeit zu erkundigen.
    Carter war unsicher und stammelte eine Entschuldigung, er müsse sich erst in das neue Metier einarbeiten.
    Aber noch während er redete und der Lord seine Arbeit kritisch betrachtete, fiel ihm dieser ins Wort: »Nein, nein, Carter, das ist ganz ausgezeichnet. Gratuliere!«
    Howard sah den Lord, dessen Rede nur allzuoft einen

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