Der Kofferträger (German Edition)
sie, Platz zu nehmen und schenkte ihr auf ihren Wunsch hin ein Glas Wasser ein. Bei all seinem Tun überlegte er, wo sie das Aufzeichnungsgerät oder die Kamera versteckt haben könnte. Er nahm sich selbst ein Glas Wasser.
Wie sollte er sich ihrer Wirkung entziehen können?
„Es muss Ihnen komisch vorkommen, dass ich Sie schon wieder sprechen will.“
„Warum?“, fragte er.
„Welchen Eindruck hatten Sie von dem Gespräch?“
Er zögerte mit seiner Antwort.
„Wissen Sie schon, wie Sie sich entscheiden werden?“
Mit Vehemenz versuchte sie, das Gespräch als Geschäftsgespräch gelten und jeglichen persönlichen Berührungspunkt außen vor zu lassen. Sie entzog sich seiner Nähe, indem sie um den Tisch herumgegangen war. Sie setzte sich so, dass ihre Knie vor dem Tisch ruhten, und er keinen Blick auf sie werfen konnte. Alles raffinierte Tricks, sagte sich Schütz.
„Darf ich bei Ihnen rauchen ?“, fragte sie verschämt.
„Ja, natürlich, ich pflege auch dieses Laster.“
„Laster ohne Leidenschaft“, ihre dunkle Stimme, die schon beim ersten Telefonkontakt mit sinnlicher Vehemenz auf ihn eingestürmt war, gab die Worte Laster und Leidenschaft ausnehmend erotisch wieder.
Sie kramte in ihrer Handtasche und angelte die Zigarettenpackung heraus.
„Hat sie bei dieser Gelegenheit ein Aufnahmegerät eingeschaltet?“, ging es ihm durch den Kopf.
Genau wie er, war sie der Marke „ Happy Hour “ verfallen. Mit einem selbstironischen Unterton klärte er sie über die Suchtelemente in der Zigarette auf, dass er dem Geheimnis aber noch nicht ganz auf die Spur gekommen sei. Sie schien nicht überrascht zu sein.
„Es wird nicht mehr lange dauern, dann haben wir Amphetamine im Trinkwasser, ‚Glücklichmacher‘ in Yoghourt, und die Sekretärin holt sich ihren Schuss morgens beim Chef ab. Ich meine den Schuss ‚Frischmacher‘. “Die Vorstellung schien ihnen beiden lächerlich zu sein, doch möglicherweise waren sie näher daran, als sie dachten. Schnell beteuerte sie, wie wenig Glauben sie solchen Gerüchten beimessen würde.
„Trotzdem weiß ich nicht, warum ich mich nicht von diesem Zwang befreien kann. Ich habe es schon einmal versucht“, meinte sie dazu, spöttelte aber darüber, dass er auch nicht stärker war.
„Woher sprechen Sie eigentlich so akzentfrei deutsch?“, fragte er unvermittelt. Sie sprach von ihren Grosseltern, die irgendwann aus Süditalien zum Arbeiten nach Deutschland gekommen seien. Ihre Eltern hatten fast ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht, und damit auch sie. In München sei sie von Anfang an in die Schule gegangen, habe Abitur gemacht und auch studiert. München war ihre Heimatstadt. Es sei die schönste Stadt Deutschlands, zumindest was den Freizeitwert anbelangte. Sie könne Segeln ebenso gut wie Ski fahren, sie liebte sportliche Autos und trinke auch gerne deutsches Bier. An der Uni in München habe sie Kunstgeschichte studiert.
Sind ihre Berichte nicht ein wenig zu offen und zu freundlich?, fragte er sich und schaltete seine Antennen auf Wachsamkeit.
„Durch die Kunstgeschichte sind Sie zur Dolmetscherin bei einer christlichen demokratischen Partei in Italien geworden? Ein logischer Schritt.“
Sein Zynismus war unverkennbar. Ohne jegliches Erstaunen blickte sie ihn an und gab ihm seinen Zynismus zurück.
„Ja, natürlich, ein logischer Schritt. Zwar können sich einige Männer die Logik nur in summarischen Zahlenreihen vorstellen. Für mich war dieser Schritt genau der richtige nach meinem Studium. Nicht alle haben das Glück, einen reichen Vater, einen mächtigen Onkel oder sonst irgendwelche Beziehungen zu haben. Ich jedenfalls hatte sie nicht.“ Sie drückte in einem Anfall von Wut die „ Happy Hour “ in dem Aschenbecher aus, zerquetschte die Kippe zwischen den Fingern und lehnte sich mit einem wütenden „Ach“ zurück. Herausfordernd schaute sie ihn an. „Und Sie haben bestimmt irgendetwas Gescheites studiert, um anschließend mit einem Koffer Geld abzuholen. Ein logischer Schritt.“
Belustigt hatte er ihre Anspielung auf seinen Onkel und seinen eigenen Job registriert. Spöttisch schaute er sie an.
„Wenn Sie zornig sind, sehen Sie richtig hübsch aus“, rief er aus.
Verächtlich schob sie ihren Unterkiefer vor: “Fällt ihnen nichts Besseres als dieses Klischee ein? Ich habe nicht im Geringsten vor, auf sie hübsch oder anderweitig zu wirken. Davon können sie ruhig ausgehen.“
All dies harmlose Geplänkel zu Beginn ihrer
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