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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Sonnenanbetung verbunden gewesen war.
    Mit einem Mal begann David das ganze Geflecht des Geheimbundes zu durchschauen. Während Kelippoth noch selbstzufrieden den tödlichen Abschluss des Jahrhundertplans offenbart hatte, waren David wieder die Zeilen aus Ben Nedals koreanischem Brief in den Sinn gekommen. Darin hatte An Chung-gun von einer Beinahekatastrophe in Hiroshima berichtet. Jetzt erst verstand David diese Worte. Toyama war drauf und dran gewesen, Lord Belial herbeizurufen, um ihm den Gefangenen, David Camden, zu übergeben. Nur ein paar Stunden später und Little Boy, die Atombombe, hätte den Fürstenring und mit ihm auch den Großmeister der Geheimloge vernichtet.
    »Aber was nicht ist, kann ja noch werden«, murmelte David und sah besorgt nach dem Mond. Er hing noch immer am Firmament.
    David schüttelte den Kopf. Selbst in einhundert mal einhundert Jahren würde er wohl nicht begreifen, wie ein vernunftbegabtes Geschöpf so viel Bosheit aufbringen konnte, solche entsetzlichen Dinge zu planen. Atomexplosionen über London, New York und Moskau konnten leicht einen weltweiten Nuklearkrieg heraufbeschwören, würden aber spätestens durch den »Racheengel« ihren tödlichen Auftrag erfüllen. Ein solcher Weltenbrand musste schon von Anfang an Belials Ziel gewesen sein. Nur zu gut erinnerte David sich der Vision unter San Clemente, in dem Mithräum, in Rom.
    Über dem Turm von Babylon war Belials beschwörende Stimme zur Sonne emporgestiegen. Er hatte gesagt, das wahre Sein könne nur »aus der Finsternis der Nichtexistenz geboren werden«. Für die Mithrasgläubigen war später der Stier Quell des Bösen und des Lebens zugleich. Seine Opferung, die Auslöschung seiner Existenz durch den Gott verstand man als schöpferischen Akt, durch den wieder neues Leben entstand. Die verquaste Lehre hatte viele Ausprägungen, aber am Ende lief es immer auf dasselbe hinaus: die totale Vernichtung der Menschheit. Wie hatte der Schattenlord mit dieser Philosophie nur so viele seiner Jünger über so lange Zeit hinweg blenden können? Hatten sie wirklich nicht verstanden, was er damit meinte?
    Ungeduldig blickte David wieder durch das Fenster nach draußen. Über ihm funkelten die Sterne. Sie wussten nichts von der Profitgier der Menschen und ihren Versuchen, sich ein großes Stück vom Kuchen des Millenniumsegens abzuschneiden. Den ersten Jahrtausendwechsel hatte sich die geschäftstüchtige Verwaltung der Inselgruppe Kiribati sichern wollen, indem sie kurzerhand die internationale Datumsgrenze »ausbeulte«. Mit demselben Vorsatz, aber nicht ganz so phantasievoll war der König von Tonga zu Werk gegangen. Durch die Einführung der Sommerzeit hatte er sein Pazifikreich dem Megaereignis eine Stunde näher gebracht und sich davon eine Touristen- und Geldschwemme erhofft, aus der aber ersten Hochrechnungen zufolge nur ein müdes Rinnsal geworden war. Wieder schüttelte David den Kopf. Lohnte es sich überhaupt, sein Leben für eine Menschheit zu opfern, deren ganzer Daseinszweck nur noch auf den Gelderwerb und das Vergnügen ausgerichtet zu sein schien?
    Doch, es lohnte sich! Die Wahrheit hatte immer ihre Zeugen gehabt, auch wenn es zeitweise nur wenige gewesen waren. Belials Einfluss musste nur erst gebannt werden, dann würde die Zahl dieser edel Gesinnten auch wieder anwachsen, davon war David fest überzeugt. Lorenzo hatte ihn einmal an einen Ausspruch von Jesus Christus erinnert. »Dazu bin ich geboren worden und dazu bin ich in die Welt gekommen«, habe der Herr gesagt, »damit ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der auf der Seite der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.« Ein Lächeln umspielte Davids Lippen. Lorenzo! Was für ein Freund! Er konnte sogar Gottes Sohn sprechen und einen denken lassen, man selbst sei damit gemeint.
    Während die Concorde mit doppelter Schallgeschwindigkeit über die weiten Ebenen im Herzen der Vereinigten Staaten und dann über die Rocky Mountains hinwegdonnerte, zogen viele Menschen an Davids innerem Auge vorbei: seine geliebten Eltern, Yoshi der Treue, Hirohito der Ernste, der wunderliche Großonkel Francis, Balu der Tiger von Meghalaya, der Münzen schnippende Nick, die Lebensretterin Marie Rosenbaum, Sir William H. Rifkind der Unerschütterliche, der verrückte Professor Leopardi, Lorenzo der Heilige, all die Berliner Gefährten, Abhitha der Schmetterling, die Offizierswitwe Indu Cullingham, Choi Soo-wan und seine koreanische Bande, Phillihi die Prinzessin, Zvi Aharoni der

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