Der Krieg der Zauberer, Band 1: Die Drei Steine (German Edition)
Kopf. „Zwar waren weder unser Land noch mein Haus durch Wachen gesichert – wozu auch sich solche Mühe geben, wo wir doch keine Feinde haben und mit allen in Frieden leben? –, doch lassen die Bäume des Ered Fuíls normalerweise keinen ungebetenen Besucher passieren. Auch hätten wir etwas hören müssen, wenn sich ein größeres Lebewesen in unserer Nähe herum getrieben hätte, denn die Sinne von uns Elben sind auch im Schlaf sehr scharf. Das Ganze ist uns ein Rätsel, und zwar eines von der unliebsamsten Sorte, die ich mir vorzustellen vermag.“
Nimroël saß derweil in einen Stuhl versunken mit dem Rücken zu hohen Regalen, die wie in einer bestens sortierten Bibliothek mit Folianten und Pergamentrollen vollgestopft waren. Der Sanftmut und die Unbeschwertheit, die sie noch gestern ausgezeichnet hatten, schienen vorläufig wie hinfort gewischt zu sein, denn Schatten hingen wie Gewitterwolken um ihr Gesicht, und neben Ratlosigkeit schien ein Ärger an ihr zu nagen, den sie für höchst berechtigt hielt. Wie konnte jemand nur so etwas Gemeines tun und einen Edelstein stehlen, der ihr und ihrem Volk so viel bedeutete, obwohl er ihnen genau genommen nicht einmal gehörte, sondern den der Eine ihnen allenfalls geliehen hatte? Und wusste dieser jemand nicht, dass sie, die Hüterin dieses Kleinods, zeit ihres Lebens nichts anderes im Sinn gehabt hatte, als Gutes zu tun und anderen Wesen selbstlos und barmherzig Hilfe zu leisten? Ganz abgesehen davon, dass der Stein so etwas wie ihr innigster Vertrauter gewesen war und es ihr sogar ermöglicht hatte, ihre innere Stimme zu hören und mit Tieren, weit entfernten Geschöpfen und sogar den Engelswesen zu reden. Wie sollte sie sich nur die Zeit vertreiben ohne das alles? Gemein war gar kein Ausdruck dafür, das war eine Schändlichkeit erster Güte, wenn sie den Täter fand, dann würde sie ihm am liebsten ...
... aber nein, als Elbin waren ihr schlechte Gedanken leider verboten, vielmehr hieß es, Gleichmut zu bewahren, auf Aldus Gnade zu vertrauen und sich die eigenen Gefühle nicht anmerken zu lassen. Ganz schön schwer manchmal, wenn sie der Wahrheit die Ehre gab.
„Ich glaube, mir ist da etwas aufgefallen, aber es ist noch zu früh, um meinen Verdacht zu nennen. Vor allem, da es mir unmöglich erscheint, dass die Wesen, zu denen die Spuren passen könnten, zu so einer Tat oder überhaupt zu etwas Schlechtem fähig sind.“
Der Elb, der gerade gesprochen hatte, hatte den Raum soeben erst betreten und unterschied sich ein wenig von seinen Artverwandten. So war er ein gutes Stück kleiner als die anderen und dafür etwas kräftiger an Statur. Hätten ihn nicht seine spitzen Ohren verraten, so hätte man ihn zuallererst für einen Menschen, möglicherweise einen rhodrimischen Reiter, halten können. Sein Name war, wie sich bald herausstellte, Hamafin.
„Nun, dann sehe ich nur eine Möglichkeit, der Wahrheit noch ein wenig näher zu rücken: Hamafin und ich werden zu Vello Wisantor gehen und ihn um seine Mithilfe bei unserer Suche bitten. Wenn der Eindringling kein umher spukender Geist gewesen ist und irgendein Baum oder Strauch oder Tier ihn auch nur beiläufig bemerkt hat, dann wird er sicher längst darüber Bescheid wissen“, sagte Faramon und klang sehr entschlossen dabei.
„Verzeiht, wenn ich mich in Eure Angelegenheiten einmische“, bemerkte Lotan der Heiler nun. „Aber wenn Ihr beabsichtigt, den altehrwürdigen Vello Wisantor aufzusuchen, dann wären ich und meine Freunde nur zu gerne mit von der Partie. Zum einen nämlich muss ich zugeben, dass es mich persönlich ohnehin danach verlangt hat, seine Bekanntschaft zu machen. Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass wir Menschen Euch je nachdem, welche Hinweise sich noch auftun, mit Rat und Tat zur Seite stehen können. Immerhin soll es ja Zauberer geben, die nicht nur am Schachbrett nicht ganz hilflos sind und sich auch sonst ein wenig nützlich machen können! Und schließlich sagte ich zwar soeben, dass es sich bei dem Diebstahl des Steines grundsätzlich um eine Angelegenheit der Elben handelt, was oberflächlich betrachtet ja auch stimmt, aber man kann nicht ausschließen, dass sich hinter der Tat dunkle Machenschaften verbergen, die alle Bewohner des Kontinents betreffen mögen. Euer Bier ist also auch unser Bier, wie man in den Ländern von uns Menschen zu sagen pflegt!“ Wie zur Bekräftigung seiner Aussage tippte Lotan mit seinem langen, hölzernen Stab, auf den er sich zu stützen
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