Der Kuss Des Daemons
irgendwie von hier wegbringen und dabei hoffen, dass mein Onkel nichts davon mitbekam. Ich rieb mir mit der Hand übers Gesicht. Nachdem Onkel Samuel es mir untersagt hatte, Freunde nach Hause einzuladen, und ich mich bisher immer seinen Wünschen gefügt hatte, konnte ich noch nicht einmal Tyler oder Neal oder Beth hierher und um Hilfe bitten, ohne dass er vielleicht Verdacht schöpfte.
Meine Hand war zur Faust geballt, als ich sie wieder sinken ließ. Hier herumstehen brachte mich auch nicht weiter. Ich ging zu der Tür hinüber, die in die Küche führte, und lauschte mehrere Sekunden lang, ob ich dahinter etwas hörte, ehe ich vorsichtig die Klinke hinabdrückte und sie einen Spaltbreit öffnete. Erneut lauschte ich. Noch immer war kein Laut zu hören. Wachsam und darauf bedacht, kein Geräusch zu machen, schlüpfte ich endgültig durch die Tür und schloss sie wieder behutsam hinter mir. Das Licht, das ich zuvor durch die Fenster des Speisezimmers und des Wohnzimmers gesehen hatte, war gelöscht worden, nur in der Halle brannte es noch. Wo hatte mein Onkel Julien versteckt? In einem der Gästezimmer im ersten Stock? Wohl kaum. Die Gefahr, dass ich etwas bemerken konnte, war viel zu groß. Und wenn er gewollt hätte, dass ich von Juliens Anwesenheit erfuhr, hätte er es mir gesagt. Blieb also nur der Keller. Simon hatte dort die Winterreiten der Autos gelagert und mein Onkel sich seinen Weinkeller eingerichtet, der aber nur von seinen eigenen Räumen aus zu erreichen war und den ich noch nie von innen gesehen hatte. Der Rest war ziemlich unaufgeräumt - und vor allem offen und von der Treppe aus weitestgehend einsehbar. Außer dem Heizungskeller. Es war ein kleiner, stickiger Raum in der rechten hinteren Ecke neben Onkel Samuels Weinkeller. Er beherbergte die Gasheizung und hatte noch nicht einmal ein Fenster, nur einen Lüftungsschacht, dafür aber eine ziemlich massive Tür. Also der ideale Ort, um jemanden zu verstecken. Der Zugang zum Keller lag unter der Treppe in der Halle. Und die war hell erleuchtet. Ich schlich zur Küchentür und spähte hinaus. Es war niemand zu sehen, doch durch die Tür zum Arbeitszimmer meines Onkels drangen Stimmen. Mit angehaltenem Atem lauschte ich einen Moment, konnte aber nichts verstehen und gab es auf. Noch einmal sah ich mich um, dann huschte ich zur Kellertür hinüber und schlüpfte hindurch. Nachdem ich sie hinter mir geschlossen hatte, knipste ich die Taschenlampe an. Da in der Halle Licht brannte, würde man ihren schwachen Schein unter dem Türspalt hindurch nicht sehen. Noch immer lauschend stieg ich die Treppe hinunter. Auch wenn ich bezweifelte, dass man das Geräusch oben hören konnte, mied ich die knarrenden Stufen in der unteren Hälfte. Der Lichtpunkt glitt über Kisten und längst vergessene Dinge. Sogar mein altes Fahrrad stand hier noch herum. Verglichen mit dem großen Keller des alten Anwesens herrschte hier das reinste Chaos. Meine Schritte schabten leise auf dem Zementboden, als ich zum Heizungskeller hinüberging und vorsichtig an der schweren Tür lauschte. Nichts war zu hören. Vermutlich wäre auch eine leise Unterhaltung kaum durch sie hindurchgedrungen, geschweige denn das Geräusch von Atemzügen. Ein paar Sekunden blickte ich unsicher auf das silbrig glänzende Metall, ehe ich die Tür schließlich langsam öffnete. Es war dunkel. Abgesehen von dem leisen Brummen der Gasheizung herrschte Stille. Nach einem Moment tastete ich nach dem Lichtschalter und ließ
die Glühbirne in ihrem Drahtkäfig unter der Decke aufflammen. Der Raum war genauso klein und stickig, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Und er war leer. Julien wurde nicht hier unten gefangen gehalten. Ich wusste nicht, ob ich darüber erleichtert sein sollte. Hatte mein Onkel ihn an einen anderen Ort bringen lassen? Aber warum hatte man dann nicht auch die Blade dort abgeladen? Nein! Julien war irgendwo hier im Haus. Ich schaute die Mauer an, die den Heizungskeller von den Weinen meines Onkels trennte. Es gab nur noch einen Ort, an dem er sein konnte. Aber um dorthin zu gelangen, musste ich durch Onkel Samuels Salon und sein Arbeitszimmer. Mein Blick ging zur Decke. Ausgerechnet jetzt hatte er Besuch. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu warten, bis er allein war. Dann konnte ich versuchen ihn aus seinen Räumen herauszulocken. Oder ich geduldete mich bis morgen, hoffte, dass Julien nicht allzu schwer verletzt war, und vertraute darauf, dass Onkel Samuel wieder den ganzen Tag auf
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