Der Kuss Des Daemons
verblüfft nach. Bis morgen würde vermutlich die ganze Schule wissen, dass Julien DuCraine kein Blut sehen konnte.
Als Liza mit dem Erste-Hilfe-Kasten zurückkam, verband Mrs Hayn meine Hand, dann schickte sie mich zusammen mit Beth in die Umkleide. Anschließend sollte ich zur Schulschwester gehen, damit die meine Hand noch einmal richtig versorgte. Die anderen mussten eine weitere Matte herbeischaffen, die vor die verhängnisvolle Schraube gelehnt wurde, dann setzte Mrs Hayn den Unterricht fort. Die Schulschwester - eine zierliche Frau mit einem freundlichen,
herzförmigen
Gesicht
und
einem
Kommandoton, der jedem Drill-Sergeant Ehre gemacht hätte - sah sich den Riss an, während ich auf der mit Kunstleder bezogenen Liege saß, schnalzte unwillig mit der Zunge und murmelte etwas von dummem Zufall, dass ich ausgerechnet die Stellschraube getroffen hätte. Sie desinfizierte die Verletzung mit Jodspray - was mir erneut die Tränen in die Augen trieb -, dann musste ich warten, bis alles getrocknet war, ehe sie mir einen Verband um die Hand wickelte, dessen Ende sie mit Heftpflasterstreifen befestigte. Danach musste ich ihr in allen Details erzählen, was geschehen war, während sie den Unfallbericht ausfüllte. Als ich endlich gehen konnte, war auch der Unterricht beendet.
Obwohl mein Bein, mit dem ich am Schwebebalken entlang abwärtsgeschrammt war, ebenfalls wehtat und sich ziemlich steif anfühlte - vermutlich würde ich morgen den ganzen Oberschenkel hinauf einen riesigen blauen Fleck haben beeilte ich mich, um zu den Bänken unter dem Ahorn zu kommen, wo ich mit Julien verabredet war. Doch als ich von dem gepflasterten Weg auf den Trampelpfad abbog, der hinter der Cafeteria entlang zu der kleinen Baumgruppe mit dem Ahorn führte, sah ich schon von Weitem, dass Julien nicht da war. Konnte es sein, dass das Training länger gedauert hatte? Ich zögerte kurz und warf einen Blick auf meine Uhr. Selbst wenn dem so gewesen wäre und er sich obendrein Zeit beim Huschen gelassen härte, müsste er eigentlich schon da sein. Ein gutes Stück langsamer als zuvor ging ich an den Hecken entlang, die das Gebäude auf dieser Seite einfassten. Hatte er angenommen, ich sei nach meinem Sturz direkt nach Hause gefahren, und war deshalb ebenfalls gegangen? Der Gedanke hinterließ ein Gefühl der Enttäuschung in meinem Magen. Ich hatte die Ecke der Cafeteria fast erreicht, als ich Neals Stimme hörte.
»... die Finger von ihr, DuCraine!«, sagte er gerade heftig.
»Sonst was, Hallern? Glaubst du, ich habe Angst vor dir? - Nimm die Hände weg.« Juliens Worte klangen nicht minder scharf.
Vorsichtig ging ich näher und spähte um die Hecke herum. Die beiden standen an der Seitenwand des Gerätehäuschens, das sich zwischen Cafeteria und Sporthalle befand. Neal hatte Julien an der Jacke gepackt und stieß ihn gerade rücklings gegen die Mauer.
»Du bist nicht gut genug für sie, DuCraine. Also tu dir selbst einen Gefallen und halt dich von ihr fern«, herrschte er ihn dabei an.
»Was stört dich, Hallern? Dass sich irgendein Junge für Dawn interessiert oder dass ausgerechnet ich es bin?« Mit eisiger Beherrschtheit löste Julien Neals Hände von seiner Jacke, hielt aber seine Handgelenke weiter fest. »Du kennst sie, seitdem sie an der Montgomery ist, und hast es in der ganzen Zeit nicht geschafft, den Mund aufzumachen und ihr zu sagen, dass du in sie verliebt bist, du Feigling.« Er stieß Neal so hart von sich, dass der zwei Schritte rückwärtstaumelte. »Ich werde deinetwegen nicht das Feld räumen. Egal was du tust!«
Ich schluckte. Neal sollte in mich verliebt sein? Er hatte niemals auch nur den Hauch einer Andeutung gemacht - und ich wäre auch nie auf die Idee gekommen, wir könnten mehr sein als Freunde.
Wie zur Antwort auf Juliens Worte stürzte Neal sich mit erhobenen Fäusten auf ihn. Doch Julien machte nur einen Schritt beiseite, packte Neal am Ann, zerrte ihn an sich vorbei und gegen die Seitenwand. Dabei drehte er ihm den Arm so abrupt auf den Rücken, dass Neal vor Schmerz aufkeuchte.
»Hört auf damit! Beide!« Gemeinsam fuhren sie zu mir herum. Ich löste mich von der Hecke und marschierte auf sie zu. Julien gab Neal frei und richtete sich auf, ohne dass die Anspannung gänzlich von ihm wich. Dann fiel sein Blick auf meine Hand und er trat einen Schritt zurück.
»Dawn ...«, setzte Neal verlegen an.
Ich ließ ihm keine Chance weiterzusprechen. »Bist du jetzt komplett durchgeknallt, oder was? Du
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