Der Kuss des schwarzen Falters: Erotischer Roman (German Edition)
wollte wenigstens versuchen, für sie die Angst zu besiegen. Entschlossen wandte er sich ihr wieder zu, doch er sah nur noch, wie ihr nackter Körper sich als elfenbeinfarbener Schatten über den Rasen entfernte. Ihre Kleider lagen vergessen im Gras. Er sammelte sie auf, doch als er Xenia folgen wollte, hielt ihn etwas zurück. Vielleicht war es besser, sich selbst und ihr noch etwas Zeit zu lassen. Vielleicht wollte sie ihn gar nicht wirklich, und das hier war ein Spiel für sie, eine Affäre, die sie nächste Woche schon vergessen haben würde.
Er wartete ab, ob sie sich noch einmal umdrehte, doch sie schlüpfte durch die Hintertür in die Küche, ohne einen einzigen Blick zurückzuwerfen. Da wandte er sich seinem Haus zu. Ihre Kleider konnte er ihr auch später bringen.
Dora legte den Kopf in den Nacken und betrachtete den riesigen Fesselballon. Bisher war sie noch nie mit dem Highflyer aufgestiegen, von dem aus man einen großartigen Blick über Hamburg haben musste. Der Pilot hatte ihr soeben erklärt, dass eine Windgeschwindigkeit von zwanzig Stundenkilometern herrschte, was bedeutete, dass die Gondel mit höchstens zehn Personen belegt werden durfte. Bis jetzt war nur sie da, und sie hoffte, dass außer Thilo auch niemand mehr zu der abendlichen Fahrt auftauchte. Dann würden sie mit dem Piloten allein aufsteigen, was die Durchführung ihres ein wenig verwegenen Plans leichter machte.
Ungeduldig warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. Thilo hatte sich bereits um fünf Minuten verspätet. Einen kurzen Moment lang stellte sie sich vor, dass er nicht kommen würde, doch dieses Mal schnürte ihr dieser Gedanke nicht wie sonst die Kehle zu, sondern machte sie einfach nur wütend.
»Du trägst ein rotes Kleid. Knallrot!«
Er stand so plötzlich hinter ihr, dass sie erschrocken herumfuhr, denn sie hatte ihn aus einer anderen Richtung erwartet. Und er sah ebenso empört aus, wie er sich angehört hatte.
Dora strahlte ihn an und strich über ihr Seidenkleid mit dem eng anliegenden Oberteil und dem weiten Rock. »Gefällt es dir? Es ist neu – und es eignet sich bestens für das, was ich mit dir vorhabe.« Sie machte eine kleine Kunstpause und fügte in verschwörerischem Ton hinzu: »Was hältst du von Sex in hundertfünfzig Metern Höhe? Wie es aussieht, werden wir die einzigen Passagiere sein.«
»Du weißt doch, dass ich auf Blau stehe«, brummte Thilo schlecht gelaunt.
»Ich mag auch andere Farben«, fauchte sie ihn an. »Und wenn dir das nicht passt, hast du eben Pech gehabt.«
»Was ist denn mit dir los?« Über seiner Nasenwurzel hatte sich eine senkrechte Falte gebildet, und er starrte sie an, als würde er sie nicht erkennen.
»Ich tue nicht mehr alles, nur um dir zu gefallen, damit du dich endlich für mich entscheidest.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Das habe ich nicht nötig. Es gibt noch mehr Männer auf der Welt.«
»Ach ja? Und warum ist dir das so plötzlich eingefallen?« Um zu zeigen, wie kalt ihn ihr Sinneswandel ließ, schob er die Daumen in die Gürtelschlaufen seiner Freizeithose aus edlem Leinen, die ihm wahrscheinlich seine ahnungslose Ehefrau besorgt hatte. Trotz des schwachen Lichts bemerkte sie jedoch das zornige Funkeln seiner Augen.
»Von plötzlich kann man ja wohl nicht reden«, erwiderte sie schnippisch. »Immerhin habe ich zwei Jahre dafür gebraucht. Ich habe zwei Jahre meines Lebens an dich verschwendet.«
»Bitte einsteigen. Es geht los«, rief der Pilot zu ihnen herüber.
»Tut mir leid, ich habe es mir anders überlegt. Aber mein Freund hier fliegt bestimmt auch gern allein mit.« Zu Doras Entsetzen zitterte ihre Stimme. Diesen Triumph gönnte sie Thilo nicht. Wenigstens musste sie nicht weinen.
Sie zerrte die beiden Fahrkarten aus ihrer Tasche und drückte sie dem verdutzten Thilo in die Hand. »Bitte! Viel Spaß!«
Ohne ihm Gelegenheit zu einer Antwort zu geben, entfernte sie sich mit klappernden Absätzen. Dabei stellte sie sich vor, wie er sie in ihrem roten Kleid weggehen sah. Falls dies ihre letzte Begegnung war, würde er sie in Rot in Erinnerung behalten. Dieser Gedanke verschaffte ihr eine merkwürdige Genugtuung.
Doch während sie sich dem Parkplatz bei den Deichtorhallen näherte, spürte sie plötzlich ein schweres Gewicht auf der Brust. Sie hatte ihn geliebt. Zumindest hatte sie die Vorstellung geliebt, die sie sich von ihm gemacht hatte. Und sie hatte davon geträumt, mit ihm zu leben. Auch wenn sie nie darüber nachgedacht hatte,
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