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Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)

Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Johnson
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flehend zugleich an. »Warum hast du ihn denn dann nicht zurückgeholt?«
    »Weil ich mir, als ich von dem Frauen hassenden Land Mandare und seinem Feind, dem von magisch begabten Frauen bevölkerten Land Natallia hörte, ausgerechnet habe, dass er irgendwo jenseits des Ozeans eine Frau finden könnte, die ihm ebenbürtig ist.« Morganen schenkte sich Wein nach. »So wie es seine Strophe der Prophezeiung vorhersagt. Hier hätte er mit Sicherheit nie eine kennengelernt. Aber die Zeitpunkte aufeinander abzustimmen ist ein heikler Prozess, müsst ihr wissen – ich wusste, dass es Alys, nachdem Saber und Kelly geheiratet hatten, möglich sein würde, zu uns zu kommen und Wolfers Herz zu erobern. Oder vielmehr zurückzuerobern, denn sie hat es ja schon vor langer Zeit gewonnen.«
    Er hob seinen Becher zu einem spöttischen Gruß, während seine Brüder innerlich zu kochen schienen und selbst Kelly ihn argwöhnisch musterte. Morg war ihr so jung, umgänglich und harmlos vorgekommen, als sie ihm zuerst begegnet war – nachdem sie über den Schock hinweggekommen war, einen lebenden, atmenden Magier vor sich zu haben. Jetzt enthüllte er, wie er sie alle manipuliert und wie Marionetten an Fäden hatte tanzen lassen. Es machte sie ein wenig nervös, obwohl sie selbst davon profitiert hatte.
    »Und was ist mit mir?«, fragte Evanor in einem Ton, der irgendwo zwischen hitzigem Verdruss und zynischer Resignation schwankte. »Hast du für mich auch schon jemanden im Sinn?«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wer eine gute Frau für dich abgeben würde«, versetzte Morganen ruhig. »Ich weiß noch nicht einmal, wer eine gute Frau für deinen Zwilling abgeben würde. Alles, was jeder Einzelne von uns tun kann, ist, die Lage ständig zu beobachten.«
    »Genau das können wir ohne einen funktionsfähigen Spiegel nicht tun. Einen Spiegel, mit dessen Hilfe wir Dominor nach Hause holen können.« Koranen musterte seinen Zwilling ärgerlich. »Sag mir eines, Morg … Hast du dafür gesorgt, dass der erste zerbrochen ist?«
    Morganen nippte an seinem Wein. »Nein, das war ein Materialfehler. Ich hatte nichts damit zu tun, ich war genauso überrascht wie du.«
    »Kannst du ihn denn mit anderen Mitteln per Fernsicht ausfindig machen?« Trevan bedachte seinen jüngsten Bruder mit einem Blick, der einer wütenden Katze alle Ehre gemacht hätte.
    Nach kurzem Zögern nickte der Magier. »Ja.«
    »Du kannst es?«, fuhr Evanor auf. »Bei Jinga! Warum erzählst du uns das erst jetzt?«
    »Weil es euch nicht zusteht, in sein Schicksal einzugreifen«, gab Morganen scharf zurück. Er setzte seinen Becher ab und musterte die anderen vielsagend. »Jeder von uns hat eine Rolle zu spielen – eine Rolle, die die Götter uns zugewiesen haben! Ich mag zwar kein Seher sein, aber ich habe im Lauf der Jahre eingehend über das ˒Lied der Söhne des Schicksals˓ nachgedacht. So, wie es mir vorherbestimmt ist!«
    Trotz der jugendlichen Züge seines von hellbraunem Haar umrahmten Gesichts wirkte Morganen in diesem Moment reifer als Saber, wie Kelly verblüfft erkannte. Er wirkte, klang und gab sich reifer. Na ja, vielleicht nur genauso reif , gab sie bei sich zu, während sie Morganen schweigend beobachtete. Sie verdächtigte ihn schon lange, mehr über die jüngsten Ereignisse zu wissen, als er den anderen gegenüber durchblicken ließ. Nun rückte er mit der Wahrheit – oder einem Teil davon – heraus, und seine Brüder waren ganz offensichtlich wenig glücklich darüber. Sie konnte ihnen keinen Vorwurf daraus machen, aber ihre Reaktion empfand sie als faszinierend. Als hätten sie gerade eine Art kontrollierter Kernschmelze mit angesehen oder erfahren, dass die Erde eine Kugel und keine Scheibe ist …
    »Aber Dominor könnte in Gefahr schweben«, protestierte Evanor. »Selbst wenn die Mandariter ihm nichts zuleide tun, könnte er in einem Sturm umkommen oder sonst etwas.«
    »Bleib ruhig, Ev. Ich behalte ihn ständig im Auge.« Morganen winkte ab und griff erneut nach seinem Weinbecher. »Ich habe vorsichtshalber eine Reihe von Zaubern über ihn verhängt, die ihn vor schwerem Unheil bewahren, falls sich das als notwendig herausstellen sollte.«
    »Jinga, bist du arrogant!«, schnaubte Trevan. Morganen nippte ungerührt an seinem Wein. Seine Haltung drückte, wie Kelly vermutete, zu gleichen Teilen betroffene und echte Sorglosigkeit aus und bewies, dass er tatsächlich zu selbstherrlich war, um über diesen Punkt zu diskutieren, geschweige denn, ihn

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