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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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sie möglichst exakt im »Zielzeitsektor« zu platzieren und die »chronotronischen Streubreiten« so gering wie möglich zu halten.
    Steve bemerkte auch, dass die Edison und ihre Begleitschiffe ständig im Kreis fuhren. Solange der Käfig beschickt wurde, lagen sie auf Ostkurs und folgten ziemlich genau dem 38. Breitengrad bis etwa auf 8° 30’ östliche Länge, schwenkten dann nach Süden ab und auf die afrikanische Küste zu, ließen die Inseln von La Galite links liegen und gingen auf Westkurs. Dann fuhren sie in etwa dreißig Seemeilen Entfernung vom Festland parallel zur algerischen Küste. Auf dieser Strecke hatte die Feldstärke des Käfigs die erforderliche Höhe erreicht, und sein Inhalt wurde ausgeklinkt. Das geschah meist auf der Höhe des Kap Rosa, zuweilen auch weiter westlich in Richtung auf Kap Bougaroun. Ein Blick auf die Karte zeigte Steve, dass nördlich von El Kala, Annaba, Chetaibi und Skikda der Meeresgrund sich ziemlich flach auf etwa 1200 Meter Meerestiefe absenkte und nur geringe Unebenheiten aufwies. Das war ihr Landegebiet. Sofort nach dem Ausklinken steuerten die Schiffe Westnordwest, machten etwa auf dem dritten Längengrad, der der Höhe von Algier entspricht, kehrt, und die Prozedur begann von neuem.
     
    In der Nacht, in der die zweite Gruppe abgesenkt werden sollte, schrak Steve aus dem Schlaf. Er meinte in der Tiefe des Schiffs einen furchtbaren Schrei gehört zu haben. Er hielt den Atem an und lauschte in die Dunkelheit. Wenige Augenblicke später hörte er ein Geräusch, als würde mit einem schweren Schraubenschlüssel gegen Stahlplatten gehämmert. Einen Moment lang suchte ihn die entsetzliche Vorstellung heim, beim Bau des Schiffs könnte im Labyrinth der Verstrebungen und Spanten versehentlich ein Werftarbeiter eingeschlossen worden sein und der versuchte nun, sich des Nachts durch Klopfzeichen bemerkbar zu machen. Das war natürlich unsinnig; der Mann wäre längst tot - es sei denn er lebte von Ratten und leckte das Kondenswasser von den Stahlplatten. Aber Steve glaubte gehört zu haben, dass alle Schiffe noch auf der Werft ausgegast wurden, um der Rattenplage abzuhelfen. Es war also denkbar, dass er Wand an Wand mit einer Rattenmumie schlief. Er knipste das Licht an und stand auf. Jerome, der mit ihm die Kabine teilte, schlief fest in seiner Koje. Steve kleidete sich an und ging nach oben.
    An Deck wehte ein kühler Wind. Der Tag graute, und der Himmel im Osten sah aus wie eine zartgrüne Lagune, in der dunkel ein paar schmale Wolkenflöße schwammen. Die Edison fuhr mit voller Kraft auf Westkurs, und achteraus schien das Kielwasser zu sieden. Dampf stieg auf und lag über dem Meer wie eine niedrige Nebelbank. Steve ging zur Reling und blickte hinab.
    In dem Moment glaubte er den Entsetzensschrei, der ihn geweckt hatte, wieder zu hören. Einen Augenblick später zuckte unter dem Heck des Schiffs ein tiefroter Blitz auf und färbte das Wasser, als hätte ein grausamer Harpunier im Herzen eines Wals eine Sprengladung gezündet und es explodiere in einem Schwall von Blut.
    Es war eben ausgeklinkt worden, achteraus quirlte Dampf auf und verhängte die aufgehende Sonne. Steve eilte unter Deck und stieg zum Chronotron hinab, um den Technikern beim Bergen des entleerten Käfigs zuzusehen.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern den Käfig hochzuwinden. Steve stand auf der Galerie gegenüber der großen rundum verglasten Schaltzentrale, die schwenkbar über dem durchsichtigen inneren Schleusentor hing, und in der die Bedienungsmannschaft des Chronotrons an ihren Geräten saß. Man sah an den Gesten und Mundbewegungen, dass die Techniker Anweisungen durchgaben, doch es war kein Wort zu vernehmen, denn die Schaltzentrale war völlig schalldicht.
    Die Winden ächzten. Triefende, fettglänzende Stahltrossen wickelten sich auf Trommeln. Ein mannsdicker, wasserdicht verkleideter Kabelbaum verschwand in der Decke wie eine dunkelgrau gefleckte Urweltschlange. Endlich erschien ein langer dunkler Schatten unterhalb der Schleuse. Das Wimmern der Winschenmotoren klang wie der Gesang eines Buckelwals, und endlich hob sich das mächtige Tier selbst aus den dunklen, im Scheinwerferlicht glitzernden Wassern, schien den samtschwarzen Rücken zu krümmen, als wollte es zu einem neuen Vorstoß in die Tiefe ansetzen. Mit einem dumpfen metallischen Klicken rastete der etwa dreißig Meter lange Kokon des Transportkäfigs in seine Verankerung. Eine Sirene schnarrte. Wasser wurde aus der Schleusenkammer

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