Der letzte Winter
Der Vogel ist verschwunden. Wie hell es draußen ist, so weiß. Das ist Schnee. Schließlich ist es doch noch Winter geworden. Das neue Jahr beginnt mit dem Winter. Es wird ein weißes Jahr. Ich habe Durst. Bringt er mir Wasser? Wo ist er? Hat er mich verlassen? Das darf er doch nicht machen. Man darf einen Menschen nicht einfach liegen lassen. Ich kann mich nicht bewegen. Ich kann nicht einfach aufstehen und etwas trinken. Hier gibt es nichts zu trinken. Er muss mir helfen. Wenn er nur bald kommt. Ich will, dass er kommt.
Winter erwachte mitten aus einem Traum. Er konnte sich nicht erinnern, wo und mit wem er zusammen gewesen war. Es gab keine Farben. Es war ganz weiß gewesen, er erinnerte sich an Weiß.
Er war allein im Bett. Draußen hörte er Stimmen. Es duftete nach Kaffee. Lilly lachte und dann Elsa. Er hörte Angelas Stimme. Langsam richtete er sich auf. War Bertil gut nach Hause gekommen? Offenbar. Er lag jedenfalls nicht neben ihm im Bett. Bertil hatte gestern Abend geweint, spät am Abend. Das kam nicht nur vom Whisky. Lange nach Mitternacht waren sie hinaus in den Schnee gegangen. Im Lauf des Abends hatte es aufgehört zu schneien, aber es war schnell genug neuer Schnee gefallen, um Körper und Kopf für den Schneemann zu rollen. Sie hatten damit angefangen, sobald sie in Hagen angekommen waren. Nur schnell einen kleinen Whisky und dann ein ziemlich großer Schneemann. Rote Nase. Großvaters alter schwarzer Hut. Mit brennenden Gesichtern zurück ins Haus, und Winter hatte den Fisch zubereitet, ein vorzüglicher Fisch.
Im Flur klingelte das Geheimtelefon. Er hörte, wie Angela sich meldete. Sie sagte nicht viel. Lilly lachte wieder in der Küche. Sie wollte heute mehr Schlitten fahren. Für sie war es das zweite Mal in ihrem Leben.
Angela kam mit dem Telefon in der Hand ins Schlafzimmer. Er machte sofort eine abwehrende Geste.
»Es ist Bertil«, sagte sie.
»Wie geht’s ihm?«
»Den Umständen entsprechend gut, sagt er.«
»Wenn er über gestern Abend reden will, dann ist das nicht nötig«, sagte Winter leise.
»Es geht um etwas anderes, Erik.«
»Ich habe heute frei und er auch.«
Schweigend hielt sie ihm den Hörer hin.
»Guten Morgen, Bertil«, sagte Winter.
»Moin. Zu gestern Abend will ich nichts sagen, nur danke.«
»Offenbar spreche ich zu laut, selbst wenn ich flüstere.«
»Hör mal, Möllerström hat angerufen. Er hat heute Morgen Dienst.«
»Ja?«
»Es geht um die Wohnung in der Teatergatan. Die wurde vom Immobilienbüro Morenius verwaltet, oder wie man das nennt. Sie haben sich um den Verkauf gekümmert.«
»An wen haben sie sie verkauft?«
»Das ist das Interessante. Sie haben sie anscheinend gar nicht verkauft.«
»Jetzt verstehe ich nichts mehr.«
»Ich eigentlich auch nicht. Und sonst auch niemand.«
»Sonst auch niemand?«
»Also, es gibt da eine kleine Ungereimtheit. Jemand vom Maklerbüro ist der Sache nachgegangen und hat festgestellt, dass die Wohnung noch nicht verkauft ist. Mehrere Leute waren interessiert, jemand ist abgesprungen, und dann ist das Projekt anscheinend in Vergessenheit geraten. Es wirkt alles ein bisschen verworren. Ich habe den Mann, mit dem Möllerström gesprochen hat, selbst angerufen. Er wirkte verwirrt. Vielleicht hatte er einen Kater, aber da war noch etwas anderes. Gleich nach Neujahr wollen sie einen neuen Verkaufsversuch starten.«
»Wie lange hat sie leer gestanden?«
»Einige Monate.«
»Einige Monate?!«
»Ja. Die Wohnungsbesitzer sind ziemlich genervt, hat er gesagt, der Typ von Morenius, also. Sie haben sich schon ein Haus gekauft.«
»Wo?«
»Das weiß ich im Augenblick nicht. Es kom…«
»Wie heißen sie?«, unterbrach ihn Winter.
»Äh … ich hab’s hier … Bolander, Jessica und Ulf Bolander.«
»Sagt mir nichts.«
»Nein. Sie sind offenbar schon in das Haus gezogen.«
»Haben sie noch Schlüssel zu der Wohnung?«
»Das weiß ich nicht … Ich nehme es an. Ich weiß es nicht, Erik.«
»Wer hat denn die Schlüssel?«
»Morenius. Und jetzt kommt noch ein Hammer.«
»Ja?«
»Bist du bereit?«
»Ja, was zum Teufel ist los?!«
»Der Vermittler war Anders Dahlquist.«
»Sag das noch mal.«
»Anders Dahlquist war der zuständige Makler bei diesem Immobiliengeschäft, das kein Geschäft wurde. Dahlquist, unser Mordopfer.«
»Ich weiß, wer das ist, Bertil.«
»Ist das ein Zufall oder bedeutet es mehr?«
»Das ist eine gute Frage.«
»Er kann Schlüssel gehabt haben. Vielleicht hatte er die Möglichkeit
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