Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
das ist unmöglich! Man wird doch nur erpreßt, wenn man etwas Ungesetzliches getan hat. Meine Frau war...« Er machte eine ratlose Handbewegung, die das ganze Zimmer einschloß. Wexford verstand, was er damit ausdrücken wollte: ihre Stellung und ihr Reichtum hatte die Frau, deren Heim dies hier gewesen war, gegen den Schmutz krimineller Verlockungen gefeit. Zu dieser Schicht gehören wir nicht, sagte sein Blick, mit der anrüchigen Unterwelt haben wir nichts zu schaffen. Haben Sie denn immer noch nicht begriffen, daß gleich nach dem lieben Gott die Engel kommen, und gleich nach den Engeln wir?
»Es muß sich nicht unbedingt um einen Verstoß gegen das Gesetz gehandelt haben«, erklärte Wexford bedächtig. »Vielleicht war es ein Verstoß gegen die herrschende Moral.«
Verwirrt schien Quentin darüber nachzudenken. Dann hellte sich seine Miene auf. »Sie meinen, sie könnte mir untreu gewesen sein, und jemand sei ihr auf die Schliche gekommen?«
»Ja, so ungefähr, Sir.«
»Nein, Mr. Wexford, da sind Sie auf dem Holzweg. Zu der Sorte von Ehemännern zähle ich nicht. Was meine Frau auch getan haben mag, ich hätte ihr verziehen, und das wußte sie auch. Wir haben dieses Thema kurz nach unserer Hochzeit besprochen, wie frischgebackene Ehepaare das häufig tun. Elizabeth hat mich gefragt, wie ich darüber denke. Es war eine rein theoretische Frage, Sie wissen schon, sie sollte dem besseren Kennenlernen dienen. Wir - wir waren damals sehr verliebt.«
»Und was haben Sie ihr zur Antwort gegeben?«
“Ich sagte, falls sie je zu mir kommen und mir erklären würde, sie habe - es habe einen anderen gegeben, ich ihr nie Vorwürfe machen und mich schon gar nicht von ihr scheiden lassen würde. Vorausgesetzt, sie käme zu mir und vertraute sich mir an. Ich erklärte ihr, die Bereitschaft zum Verzeihen gehöre meiner Meinung nach zur Liebe, und schließlich brauche sie mich dann, wenn es ihr schlecht ginge, gerade am nötigsten. Und ich würde von ihr erwarten, für mich erforderlichenfalls das gleiche zu tun. Ich hätte mich nie von ihr scheiden lassen. Sie war meine Frau, und selbst als wir uns so schrecklich auseinandergelebt hatten, hielt ich an der Überzeugung fest, daß eine Ehe für alle Zeiten geschlossen wird.«
Ein netter Mann, dachte Wexford, dessen üblicher Zynismus einen Augenblick in den Hintergrund trat, ein freundlicher und außergewöhnlich kultivierter Mensch. Der Zynismus meldete sich wieder zurück. Ein Mustergatte - oder ein Mann, den das Schicksal dazu bestimmt hatte, daß ihm die Frauen das Fell über die Ohren zogen. Ein Glück, überlegte er sich, daß Quentin Nightingale während seiner ersten Ehe solch bewundernswerte Grundsätze entwickelt hatte, denn während seiner zweiten würde er sie gewiß in die Praxis umsetzen müssen.
»Manche Dinge kann man nicht verzeihen«, sagte er. Beispiele kamen ihm in den Sinn, Fälle aus seiner langen Erfahrung mit Missetätern. Die Frau, die ihren Mann mehr als zehnmal nach seinen wegen Diebstahls verbüßten Gefängnisstrafen wieder aufgenommen hatte, sich jedoch weigerte, ihn nach seiner Verurteilung wegen unsittlichen Entblößens auch nur noch eines Blickes zu würdigen. Oder der Mann, der sich die Seitensprünge seiner Frau gefallen ließ, sie jedoch verstieß, als man sie beim Ladendiebstahl erwischte. »Sie sind ein vernünftiger, toleranter Mann«, sagte er schließlich, »doch Sie denken in zu engen Bahnen. Ich frage mich, ob Sie wirklich genau über sich Bescheid wissen. Sie wissen, was Ihnen gefällt, aber wissen Sie auch, was Sie abstößt?«
»Nichts, was Elizabeth getan haben könnte«, beharrte Quentin eigensinnig.
»Vielleicht, doch sie war überzeugt, es würde Sie abstoßen, so fest überzeugt, daß sie bereit war, dreißigtausend Pfund zu bezahlen, damit Sie nichts davon erfuhren.«
»Wenn Sie meinen«, sagte Quentin ratlos. »Aber wer aus ihrem Bekanntenkreis könnte Geld von ihr erpreßt haben?«
“Ich habe eigentlich gehofft, Sie könnten mir das sagen. Jemand vom Personal?«
»Mrs. Cantrip, die uns seit sechzehn Jahren treu ergeben ist? Der alte Will, die Anständigkeit in Person? Sean, der sie wie eine Heilige verehrte? Sie sehen selbst, wie unsinnig das ist. Weshalb sollte es überhaupt jemand vom Personal sein?«
»Es ist weniger wahrscheinlich, daß es jemand aus Ihrem Freundeskreis ist, finden Sie nicht, Sir? Ein Dienstbote, der hier im Haus wohnte, hätte Zugang zu persönlichen Schriftstücken gehabt, könnte
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