Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers
wollen Zeugen in Widersprüche verwickeln und Büning unglaubwürdig machen. Sie stellen aber nicht in Rechnung, dass Sie selbst bei Ihren wenigen Aussagen falsche Angaben machen. Nach diesen Angaben wird das Gericht Ihre Zuverlässigkeit beurteilen!«
Aber Dr. Näke war noch nicht fertig. »Ist das Ihre Waffe?« Der Vorsitzende hielt ein Seitengewehr hoch, das am Friedhof in Büderich gefunden worden war.
»Das ist möglich. Wenn sie mir gehört, hat sie mir ein Unbekannter gestohlen und dann als Werkzeug zum Vergraben der waffengefüllten Milchkanne benutzt.« Triumphierend fügte der Angeklagte hinzu: »Millionen deutscher Seitengewehre sehen alle gleich aus. Es wird nicht möglich sein, den Besitzer festzustellen.«
Ironisch antwortete der Vorsitzende nur: »Man kann, Herr Reichenstein!«
Tatsächlich stellte sich in den nächsten Minuten heraus, dass die Nummer auf dem Seitengewehr mit der auf der Scheide, die im Keller der Familie Reichenstein gefunden worden war, übereinstimmte: 2257403. Nachdem sich der Angeklagte selbst davon überzeugt hatte, kommentierte er dies ungewohnt kleinlaut: »Es scheint zusammenzugehören.« Abermals war es dem Gericht gelungen, den Mann festzunageln.
Reichenstein schien zu erkennen, dass sich die Situation bedrohlich zuspitzte. Während er sich in den Verhandlungen zuvor nahezu ausschließlich mit seinen stenografischen Notizen beschäftigt hatte, redete er an diesem Tag immer wieder auf seine Verteidiger ein und unterbrach sogar den Vorsitzenden mit hitzigen Zwischenbemerkungen und Fragen. Die Zeichen der Verunsicherung waren unverkennbar: Das Gesicht des sonst so kühl und reserviert agierenden Angeklagten war hochrot, und die Haare hingen ihm in die schweißfeuchte Stirn.
Einen turbulenten und spannungsgeladenen Verlauf nahm die Verhandlung, als nochmals Klara Reichenstein an den Zeugentisch herantrat. Sie sagte aus, dass ihr Mann während seiner Untersuchungshaft einmal zu ihr gesagt habe: »Wenn ich den Einbruch Thören zugebe, dann muss ich auch den Mord an Kortmann/Seiffert zugeben.«
Reichenstein bestritt vehement, »das so gesagt« zu haben. Vielmehr habe er nur klarstellen wollen, wenn er den Einbruch gemacht hätte, sei er »noch verdächtiger im Fall des Mordes«. »Meine Frau muss mich mißverstanden haben«, erklärte er. Das Diebesgut war jedoch an zwei Waffenverstecken mit Gegenständen gefunden worden, von denen Klara Reichenstein behauptete: »Die Gummiringe und der Bindfaden, das waren Sachen aus unserem Haushalt.« Postwendend versuchte der Angeklagte abzuschwächen: »Meine Frau kann sich da leicht irren!«
Auch bestritt Reichenstein die Schilderung seiner Frau, dass er vierzehn Tage vor Karneval 1956 gegen 2 Uhr mit Uhren und wertvollem Schmuck nach Hause gekommen sei und die Sachen »zum Zählen ausgebreitet« habe. Klara Reichenstein sagte dazu, dass sie »sofort an einen Diebstahl gedacht« habe, aber ihren Mann nicht habe anzeigen wollen. Der Grund: »Das war zu gefährlich!«
Als seine Frau den Gerichtssaal verlies, knickte der »Mann ohne Nerven« erstmals ein. Reichenstein hielt sich ein Taschentuch vor das Gesicht und weinte heftig. Das »Monster« zeigte Gefühle. Und das war dem Angeklagten überaus peinlich. Er versteckte den Kopf unter der Anklagebank. Die Verhandlung musste unterbrochen werden. Erst einige Minuten später hatte der mittlerweile sichtlich schmaler gewordene Mann sich wieder im Griff.
Reichenstein war arg unter Beschuss geraten, der Panzer der Unantastbarkeit war förmlich durchsiebt worden. Der Angeklagte hing wie ein angezählter Boxer in den Seilen. Und deshalb wurde es höchste Zeit für einen Gegenschlag. Rechtsanwalt Peters konfrontierte das Gericht mit »besorgniserregenden« Erkenntnissen, die bisher noch gar nicht zur Sprache gekommen waren. Im Visier des Verteidigers: Fritz Büning – und sein »auffallend freundschaftliches Verhältnis zur Kriminalpolizei«. Der Mitangeklagte sei »förmlich gepäppelt« worden, nachdem er Reichenstein belastet habe. Statt im Untersuchungsgefängnis sei er im Polizeigewahrsam untergebracht gewesen, habe einen »Betreuungsbeamten zugeteilt bekommen«, sogar mehrfach seine Familie besuchen dürfen. Mit Dr. Wehner, dem Chef der Kripo, habe er »zu besonderen Zwecken Nachmittagskaffee getrunken«. Überdies sei Büning »mit seinem Polizisten« in einer Kneipe gesehen worden, »beim Bierchen«. Von einem Dienstzimmer im Polizeipräsidium habe er mit Dr. Wehner telefoniert, »um
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