Der Liebesschwur
Umgebung und die Ruinen haben sie abgesucht. Gründlich. Und sie haben sogar etwas gefunden, gleich hinter der Tür der Unterkunft des Abtes.«
»Oh?«
»Jemand hat einen Teil der Steinplatten freigeräumt. In einem der Steine ist ein eiserner Ring eingelassen – der Stein verdeckt eine alte Luke. Aber diese Luke ist in letzter Zeit nicht geöffnet worden.« Vane sah Patience in die Augen. »Devil und ich haben die Platte vor Jahren einmal hochgehoben. Unter dem Stein gibt es nichts, auch kein Loch, in dem etwas versteckt sein könnte. Also erklärt das auch nichts, nicht einmal, warum Gerrard bewusstlos geschlagen wurde.«
»Hm.« Patience runzelte die Stirn. »Ich werde ihn fragen, ob er sich an noch etwas mehr erinnert, was er vielleicht gesehen hat, ehe er auf den Kopf geschlagen wurde.«
Vane nickte abwesend. »Leider wirft nichts von all dem ein Licht auf das Geheimnis. Das Rätsel, wo die gestohlenen Dinge einschließlich Minnies Perlen versteckt sind, wird mit jedem Tag größer.«
Patience' Hand schloss sich für einen Augenblick fester um seinen Arm – einfach, weil es ihr richtig erschien, als Trost und Zeichen ihres Mitgefühls. »Wir müssen nur aufmerksam bleiben. Wachsam. Etwas wird passieren.« Sie sah auf und begegnete Vanes Blick. »Es muss ganz einfach so sein.«
Er konnte ihr nicht widersprechen. Vane legte seine freie Hand auf ihre Finger und hielt ihre Hand auf seinem Arm fest.
Einige Minuten lang gingen sie schweigend weiter, dann sah Vane in Patience' Gesicht. »Bist du aufgeregt, wenn du an Honorias Ball denkst?«
»In der Tat.« Patience warf ihm einen schnellen Blick zu. »Ich habe gehört, dass es eine Ehre ist, eingeladen zu sein. Wie du gesehen hast, sind Mrs. Chadwick und Angela außer sich. Ich kann nur hoffen, dass auch Henry von der Aussicht begeistert sein wird. Edmond jedoch wird unbeeindruckt bleiben. Ich bin sicher, er wird mitgehen, doch ich nehme an, dass sogar der Ball eines Herzogs nicht in der Lage ist, seine Selbstsicherheit ins Wanken zu bringen.«
Vane nahm sich vor, das Honoria gegenüber zu erwähnen.
Patience blickte zu ihm auf. »Wirst du auch dort sein?«, wollte sie wissen.
Vane zog die Augenbrauen hoch. »Wenn Honoria uns ruft, kommen wir alle.«
»Wirklich?«
»Sie ist Devils Herzogin.« Als Patience ihn verwirrt ansah, erklärte Vane: »Er ist der Kopf der Familie.«
»Oh«, erwiderte Patience erstaunt. Sie war noch immer verwundert.
Vane verzog spöttisch den Mund.
»Es waren noch zwei andere Ladys in der Kutsche, als Honoria angehalten hat, um uns einzuladen. Ich glaube, das waren auch Cynsters.«
Vane bemühte sich um ein ausdrucksloses Gesicht. »Wie sahen sie denn aus?«
»Sie waren älter. Eine war dunkelhaarig und sprach mit französischem Akzent. Sie wurde uns als Witwe vorgestellt.«
»Helena, die verwitwete Herzogin von St. Ives – Devils Mutter.« Vanes andere Patentante.
Patience nickte. »Die andere hatte braunes Haar, war groß und stattlich – eine Lady Horatia Cynster.«
Vanes Gesicht verzog sich grimmig. »Meine Mutter.«
»Oh.« Patience warf ihm einen schnellen Blick zu. »Aber deine Mutter und die Witwe waren … sehr freundlich. Das habe ich nicht gewusst. Alle drei – Honoria und die beiden anderen Ladys – schienen einander sehr nahe zu stehen.«
»Das tun sie auch.« Vanes Stimme klang resigniert. »Sehr nahe. Die ganze Familie steht einander sehr nahe.«
Wieder sagte Patience leise »Oh« und schaute vor sich hin.
Vane sah sie von der Seite an, betrachtete ihr Profil und fragte sich, was sie wohl von seiner Mutter hielt – und was seine Mutter von ihr hielt. Nicht dass er irgendwelchen Widerstand von dieser Seite erwartete. Seine Mutter würde die Braut, die er erwählte, mit offenen Armen willkommen heißen und mit einem großen Teil ansonsten geheimer Informationen und viel zu verständnisvollen Ratschlägen. Das war die Art, wie diese Dinge in der Familie der Cynsters geregelt wurden.
Eine tiefe Sehnsucht, ein Bedürfnis nach der Bindung an eine Familie, war Teil des Schutzwalles, den Patience um sich herum errichtet hatte, dessen war er jetzt ganz sicher. Es war eine der Hürden, die sie von einer Ehe abhielt. Das war ein Teil des Problems, dem er sich kaum zu widmen brauchte – er musste sie nur seiner Familie vorstellen, um dieses Problem aus dem Weg zu räumen.
Trotz der Opfer, die er dafür würde bringen müssen, war das Haus der St. Ives am nächsten Dienstag der richtige Ort für Patience.
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