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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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nicht?«
    »Ich weiß nicht, wie ich ihn lieben soll«, sang Adrian. »Was ich tun, wie ich ihn rühren soll. Er ist ein Mann, bloß ein Mann, und ich hatte so viele Männer zuvor, auf verschiedene Weisen. Er ist bloß einer mehr.«
    »Ich finde, da hat Adrian recht«, sagte Jenny. »Obwohl er einen Viertelton zu tief liegt. Denk an all die absonderlichen Sachen, die du für deine Kunden tun mußtest. Gebadet oder gekleidet zu werden erscheint dir wahrscheinlich nicht so neu oder anders. Du wurdest ausgebildet, um zu gefallen: Deine Gefälligkeit ist die Gefälligkeit einer Hure, dein Lächeln ist das Lächeln einer Hure. Ich finde, du kannst dir etwas mehr Selbstvertrauen leisten. Im Moment wirkst du ziemlich steif.«
    »Er ist auch bloß aus Fleisch und Blut«, sagte Adrian. »Schau dir doch an, wen er neben sich stehen hat.«
    »Adrian, bitte!«
    »’tschuldigung, Miss.«
     
    Mrs. Twimp kam mit dem Frühstückstablett herein.
    – Sir, der Bursche ist nirgends zu … ooh! Sie zuckte vor Überraschung zusammen, als sie Joes Kopf sah, der auf der entblößten Brust des schlafenden Flowerbuck lag.
    – Sir! Sir!
    – Oh … guten Morgen, Mrs. Twimp …
    – Gott schütze mich! Nie sah ich solche Zügellosigkeit! Mr. Flowerbuck, Sir, ich traue kaum dem Zeugma meiner Augen. Daß Ihr entschleiert steht als Ergötzer der Kinder, nichts als ein Korrepetitor der Jugend, ein Pädagoge! Ein lasterhafter Erzeuger, ein Liberier! Nie sah ich je solch nackte Unmoralität, solch Desillusion!
    – Beruhigt Euch, Mrs. Twimp. Das Kind kroch in mein Bett, als ich schon schlief. Ich hatte keine Ahnung, daß er bei mir lag, bis eben jetzt.
    – Sir! Ich bitte um Verzeihung … aber sein Anblick. Ich konnte nur zu einer Resultante kommen.
    – Laßt uns allein, Mrs. Twimp.
    – Wollt Ihr, daß er sich aufrichtet, Sir? Ich glaube, er sollte sofort aufgerichtet werden.
    Adrian spürte, wie Hugos Körper sich beim Lacher, mit dem das Publikum diesen Satz quittierte, verspannte.
    – Ich werde ihn wecken und zu Euch hinunterschicken, Mrs. Twimp.
    – Ich werde Wasser zu seiner Absolution holen.
    Zu herzlichem Szenenapplaus ging sie ab. Adrian setzte sich auf und stierte vor sich hin.
    – Mein Gott! Was habe ich getan? In Gottes Namen, was habe ich getan?
    – Guten Morgen, Sir.
    – O Joe, Joe! Warum bist du heute nacht zu mir gekommen?
    – Ihr seid mein Erretter, Sir. Mrs. Twimp ersuchte mich, dessen stets eingedenk zu bleiben. Und Ihr sagtet mir, ich solle einzig mit meinem Erretter schlafen.
    – Kind, ich meinte …
    – Habe ich gefehlt, Sir? War ich Euch nicht zu Gefallen?
    – Mir träumte … ich weiß nicht, was mir träumte. Sag, daß ich schlief, Joe. Sag, daß ich die ganze Nacht schlief.
    – Ihr wart sehr sanft zu mir, Sir.
    – Nein! Nein! Nein!
    Beim Blackout und dem Donner des Applauses, die das Ende des Aktes kennzeichneten, blieben sie liegen, während das Bett in die Kulisse geschoben wurde, wo Jenny stand und vor Erregung auf und ab hüpfte.
    »Wunderbar!« sagte sie. »Hört euch das an! Der
Grauniad
ist da und die
Financial Times
.
    »Die ›Financial Times‹?« fragte Adrian. »Will Andersen eine Flowerbuck GmbH gründen?«
    »Ihr Theaterkritiker.«
    »Wußte gar nicht, daß die einen haben. Wer zum Teufel liest denn Theaterkritiken in der
Financial Times

    »Jeder, wenn sie gut ausfällt, denn dann lasse ich sie vergrößern und vor dem Theater anschlagen.«
    »Wie lang ist die Pause?« fragte Hugo.
     
    Niemand bei der Premierenparty hätte abgestritten, daß es die beste Inszenierung in der Theatergeschichte von Cambridge gewesen war, daß insbesondere Hugo und Gary binnen Wochenfrist zu Ruhm im West End gelangen würden, daß Adrian saubere Arbeit geleistet hatte, Dickens für die Bühne zu bearbeiten, und daß er Jenny ein neues Stück schreiben müßte, das sie inszenieren könnte, sobald sie ans National Theatre gelangte, was nur noch eine Frage von Tagen sein konnte.
    »Mein lieber Healey!« legte sich eine Hand auf Adrians Schulter. Er drehte sich um und sah das lächelnde Gesicht von Donald Trefusis.
    »Hallo, Professor. Hat’s Ihnen gefallen?«
    »Herrlich, Adrian. Einfach herrlich. Eine denkbar lobenswerte Bearbeitung.«
    »Genügt es Ihnen als mein originelles Werk?«
    Trefusis sah verwirrt aus.
    »Sie wissen schon, die Aufgabe, die Sie mir zu Beginn des Trimesters stellten.«
    »Einen Roman zu bearbeiten? Ob das als dein originelles Werk genügt? Sie müssen mich mißverstanden haben.«
    Adrian

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