Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mackenzie Coup

Der Mackenzie Coup

Titel: Der Mackenzie Coup Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
Vom Netzwerk:
zweierlei: Er hatte einen marketingtauglichen Spitznamen und nur noch ein paar Wochen bis zu seinem Abschluss. Was bedeutete, dass es höchste Zeit für ihn war, sich entweder um einen Postgraduate-Studienplatz zu bewerben oder sich nach einer lukrativen Beschäftigung umzusehen. Aber er hatte die halbe Nacht an einem Graffitiprojekt gearbeitet: Schablonen vom vermummten Gesicht des Künstlers Banksy mit dem Schriftzug »Money in the Banksy« und ein paar Dollarscheinen darüber und darunter. Die Schablonen waren nicht signiert. Er hoffte, die lokalen Medien würden die Story aufgreifen und den »schottischen Banksy« zu einem Begriff machen. Bislang war das allerdings nicht passiert. Seine Freundin Alice fand, er solle graphic artist werden, was im Klartext Comiczeichner bedeutete. Sie arbeitete front-of-house in einem Programmkino auf der Lothian Road und meinte, der richtige Weg für Westie, ein berühmter Hollywood-Regisseur zu werden, sei, als Cartoonist anzufangen. Dann würde er zu Promotionvideos für Indie-Rock-Gruppen übergehen und von da aus weiter zum Film. Das einzige Problem dabei war, dass er – wie er ihr schon wiederholt erklärt hatte – nicht die geringste Neigung verspürte, Filmregisseur zu werden … sie war diejenige, die zum Film wollte.
    »Aber du bist der mit Talent«, hatte sie jedes Mal entgegnet und dazu mit dem Fuß aufgestampft. Diese Bewegung verriet eine ganze Menge über Alice – das einzige Kind unkritisch liebender gutbürgerlicher Eltern, die sie bei allem, woran sie sich jemals versucht hatte, in den Himmel lobten. Klavierstunden würden sie zu einer Vanessa Mae der Tastatur machen; ihre selbst verfassten Songs würden ihr gemeinsame Auftritte mit Joni Mitchell oder zuallermindest KT Turnstall bescheren. Sie hielt sich so lange für eine begnadete Malerin, bis ihr Kunstlehrer an der Privatschule sie eines Besseren belehrte. Nachdem sie ihr Studium (Film- und Medienwissenschaft plus Creative Writing) geschmissen hatte, ruhten all ihre Hoffnungen auf Westie. Es war«Are Wohnung – die Miete hätte er sich nie im Leben leisten können. Genau genommen gehörte sie ihren Eltern, die gelegentlich vorbeischauten und es nie unterließen, sich vom Freund und Mitbewohner ihrer Tochter sehr wenig angetan zu zeigen. Er hatte einmal zufällig mitgehört, wie sie ihr eine von Herzen kommende Frage stellten – »Bist du dir auch wirklich sicher, Liebes?« –, und gewusst, dass sie von ihm sprachen, ihres Goldkindchens Kuschelrüpel. Sein erster Impuls war gewesen, in die Versammlung hineinzuplatzen und sich lautstark zu seinem proletarischen Background zu bekennen – dem Kohlenrevier von Fife, der Kirkcaldy High. Zu erklären, dass ihm nichts in die Wiege gelegt worden war. Aber er hatte gewusst, wie das in ihren Ohren geklungen hätte …
    Kretins.
    Bei anderer Gelegenheit hatte er Alice von einer Filmakademie erzählt, die gerade in der Stadt eröffnet wurde – sie könnte da als Gasthörerin mitmachen, alles über das Metier lernen. Ihre Begeisterung hatte vorgehalten, bis sie aus dem Internet erfuhr, was der Spaß kostete.
    »Mama und Papa werden bestimmt gern in die Tasche greifen«, hatte Westie gemeint, woraufhin sie ihn anfauchte, er würde ihr doch immer vorwerfen, sie sei ein Blutsauger, sie würde ihren armen Eltern ständig auf der Tasche liegen. Ein weiteres Fußstampfen. Dann war sie aus dem Zimmer gestürmt und hatte die Tür hinter sich zugeknallt, wodurch ein noch nicht trockenes Bild von der Staffelei auf den Fußboden fiel. Schließlich hatte er es geschafft, sie mit einer Tasse Tee und einem bisschen Kuscheln in der knackengen Küche zu beruhigen.
    »Ich brauch bloß noch zehn Jahre zu arbeiten, dann hab ich genug gespart«, hatte sie geschnieft.
    »Vielleicht könnte ich meine Preise bei der Abschlussausstellung erhöhen«, hatte Westie kooperationsbereit hinzugefügt. Aber sie wussten beide, dass das kaum eine Lösung war – er würde wahrscheinlich sowieso so gut wie nichts verkaufen. Wie groß sein »technisches Können« auch sein mochte – in Sachen Kunst verdiente er nach wie vor ein bloßes »Ausreichend«, zumindest in den Augen der Dozenten, deren Noten am meisten zählten. Der Direktor der Akademie – Professor Gissing – hatte nie viel von ihm gehalten. Westie hatte ein bisschen über Gissing recherchiert und herausgefunden, dass das letzte Bild des miesepetrigen alten Knackers aus den Siebzigern stammte, dass er seit gut dreißig Jahren also nichts

Weitere Kostenlose Bücher