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Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Jardas
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Schweigsamkeits-Wolke
begibt, denke ich. Wahrscheinlich fühlt er sich dann wie ein
alttestamentarischer Rauschebart. Ich versuche mich spottend davon abzulenken,
wie es in mir drinnen aussieht. In Wahrheit habe ich zittrige Knie, von dem,
was er uns gezeigt hat und vor dem, was noch kommt. Sein Zuhause. Ob seine Frau
daheim sein wird? Wie sie wohl aussieht, Frau Kidon Nummer drei?
    Wir biegen um mehrere Ecken, dann lässt Raffael den Bus
anhalten. Wir stehen vor einem kleinen Haus. Ich sehe weiße Spitzengardinen an
den Fenstern. Sie ist sicher Lehrerin, schließe ich daraus.
    „Spricht Deine Frau deutsch?“ frage ich Raffael.
    „Nein, ihre Familie stammt aus England.“ höre ich. Da öffnet
sich schon die Türe, und eine Frau begrüßt uns. Sie ist sehr groß und dünn, hat
langes, dunkles Haar, das sie offen trägt. Ihr Gesicht wirkt hager, sie lacht
nicht, lächelt nur zurückhaltend.
    „Das ist Linda, meine Frau.“ stellt Raffael sie vor. Wir
geben ihr alle artig die Hand und entschuldigen uns für den Überfall.
    „ Oh, that`s quite allright. “ sagt sie. Ich fühle mich
sehr unbehaglich, wie ein Eindringling. Ob sie weiß, dass er mit anderen Frauen
schläft? Ich finde, sie sieht so aus, als ahnte sie es zumindest. Sie haben
sich weder die Hand gegeben, noch zur Begrüßung umarmt, denke ich. Ob er sie
wohl liebt? Immerhin ist sie ja die Mutter einiger seiner Kinder. Setzt er sich
manchmal hin und spielt mit ihren Haaren, nennt sie Prinzessin und füttert sie
mit den Früchten des Orients? Dass sie ihn liebt, sieht man. Mit ihrem
zaghaften Lächeln blickt sie ihn freudig an. Mein Gott, was muss diese Frau
aushalten, denke ich. Dieser gefühllose Mann hat ihr sicher manch tränenreiche
Nacht beschert. Kein Wunder, dass sie so verhärmt aussieht. Ihr fehlt das
Geschmeidige, was eine Frau attraktiv macht, denke ich. Die langen Beine in
dunkle Jeans gepackt, keine Spur von Makeup im Gesicht, eine große Uhr am
Armgelenk. Bei ihr ist alles aufs Praktische ausgerichtet, wie mir scheint.
Verführerisch wirkt sie nicht. Irgendwie beruhigt mich der Gedanke. Aber zu ihr
steigt er jede Nacht ins Bett, denke ich weiter. Es könnte sein, dass sie ein
Flanellnachthemd trägt. Aber vielleicht täusche ich mich ja, und diese Frau
erblüht des Nachts unter den Berührungen ihres Mannes und wird zur Quelle der
Lust, auch für ihn. „Wir brauchen Kaffee.“ sagt Raffael, und sie geht sofort in
die Küche. Ich schaue mich ein bisschen um. Es ist nichts Auffälliges in diesem
Haus zu entdecken. Es könnte auch ein Reihenhaus im Schwäbischen sein.
Bücherregal, Anrichte, Clubtisch, darunter ein Perserteppich-Ersatz, viel
braunes Holz, an den Wänden nur Drucke, kein Original. Ich würde hier
ersticken, denke ich. Draußen der Stacheldraht und drinnen nicht die Spur von
Luxus. Es ist alles zweckmäßig, mehr nicht. Vielleicht haben die beiden gar
keine toskanischen Klinkerböden, schwarze Lackmöbel und farblich abgestimmtes
Design nötig, überlege ich verstimmt, kommen ohne Schnickschnack aus und sind
dennoch zu gemeinsamen, intelligenten Gesprächen fähig.
    Raffaels Frau serviert den Kaffee, Nescafé in Plastikbechern.
Das dürfte sie nicht zulassen, denke ich, auch wenn das Portemonnaie noch so
leer ist. Für ein paar hübsche Tassen sollte das Geld doch reichen. Ich möchte
plötzlich hinaus aus diesem miefigen Haus, hinaus aus diesem Ghetto, diese
bedrückende Einfachheit hinter mir lassen. Inzwischen ist einer der Söhne auf
Raffaels Knie gesprungen. Yuval heißt er, ist vier Jahre alt und der kleinste
von den drei Söhnen, die er mit Frau Nummer drei hat, erzählt Raffael uns.
    „Ach Gott, sieht der Ihnen ähnlich.“ ruft unsere dicke Frau
Albertz begeistert und fotografiert Vater und Sohn. Alle fotografieren. Den
Hund, der im Gärtchen rumspringt, die Gruppe, die fröhlich um den Tisch sitzt
und aus den Pappbechern Nescafé schlürft, den Reiseleiter mit dem Sohn auf den
Knien. Ich muss aufs Klo. Raffaels Frau führt mich hin.
    „ What a beautiful home you have .“ sage ich ziemlich
verlogen.
    „ Thank you .“ erwidert sie sanft und bietet sich an,
mir auch die anderen Räume zu zeigen.
    „ If you really don`t mind. “ sage ich und möchte am
liebsten schon wieder davonlaufen. Ich will Dein Badezimmer nicht sehen, denke
ich, mit den billigen Parfumflaschen und Raffaels Rasierpinsel.
    Sie öffnet und schließt Türen. Ich sehe Stockbetten aus
Holz. „ This is the elder boys ` room.“ sagt sie. „

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